Moderne Therapiestrategien haben dazu geführt, dass heutzutage 95 Prozent der transplantierten Nieren mindestens ein Jahr gut funktionieren. Die durchschnittliche Lebensdauer eines Organs beträgt dabei 10 bis 15 Jahre. 1989 noch war eine von fünf Nieren nach Jahresfrist nicht mehr funktionsfähig. Nun gibt es neue Methoden.
The Lancet präsentiert eine Review über den derzeitigen Stand der Forschungen, zu der Rainer Oberbauer, Leiter der klinischen Abteilung für Nephrologie und Dialyse der MedUni Wien, und sein Team maßgeblich beigetragen haben. Ein Schwerpunkt der Übersichtsarbeit war es, Wege zu finden, die Funktionsrate der Organe weiter zu erhöhen. Dazu zählt der derzeit wohl innovativste Ansatz, der von Erstautor Thomas Wekerle beforscht wird: Zusätzlich zur Niere wird dem Empfänger Knochenmark vom Spender transplantiert um Toleranz zu erreichen. Dieser Zustand wird “Chimärismus“ genannt, dabei haben die Patienten zwei Komponenten von Knochenmark – ihr eigenes und jenes vom Spender. Der Begriff kommt von der Chimäre, die ein Mischwesen in der griechischen Mythologie war. Wenn es gelingt, dass sich das fremde Knochenmark einnistet, erkennt das Immunsystem des Empfängers das Spenderorgan nicht mehr als “fremd“ und stößt es nicht ab. Erste Pilotstudien haben gezeigt, dass diese Methode sehr erfolgversprechend ist.
Der Vorteil: Die abstoßende Immunreaktion nach einer Organtransplantation müsste nicht mehr mit Immunsuppressiva bekämpft werden. Noch ist eine Knochenmarktransplantation allerdings mit Bestrahlung und der Einnahme von Zytostatika verbunden – beides hat eine sehr hohe Toxizität und ist für die Betroffenen mit vielen unangenehmen Nebenwirkungen verbunden. “Wenn wir diese Toxizität ausschalten könnten, würde das den Weg frei machen für die Etablierung der medikamentenfreien Toleranz in der klinischen Organtransplantation“, sagt Wekerle. Große Hoffnungen setzen die Forscher dabei in den Einsatz von regulatorischen T-Zellen vom Empfänger.
Weitere Verbesserungen beim Erhalt von transplantierten Nieren könnte ein künftiges, europaweites Nieren-Spender-Programm bringen – analog zu jenem, das die USA seit 2014 verwenden. Während in Europa derzeit derjenige die Niere bekommt, der sie am dringendsten braucht, wird in den USA ein Programm verwendet, das ganz exakt anhand von bestimmten Algorithmen analysiert, welche Niere am besten zu welchem Empfänger passt (Alter, Gewebeübereinstimmung, etc.) und auch, wie lange diese dem Empfänger noch nützlich sein kann. Oberbauer: “Es bringt beiden nichts, wenn jemand die Niere eines 20-jährigen bekommt, selbst aber nach wenigen Jahren verstirbt. Man sollte die Niere so einsetzen, das beide möglichst lang davon profitieren.“
Weitere immer wichtiger werdende Strategien sind die frühzeitige Überlegung, ob ein Verwandter oder Freund eine Niere spenden könnte bzw. als Spender in Betracht käme. Oberbauer: “Aktuelle Studien bei uns an der MedUni Wien haben gezeigt, dass eine Transplantation noch vor der Dialyse das Leben verlängern kann.“
Auch die Kühlung der Spenderniere bringt eine deutliche Verbesserung und kann bei Nierenspenden von Verstorbenen leicht umgesetzt werden. Es konnte gezeigt werden, dass gekühlte Nieren nach einer Transplantation um 40 Prozent besser wieder “anspringen“ als ungekühlte. Einen ähnlichen Effekt gibt es bei vor einer Transplantation extern durchgespülten Spendernieren (“Perfusion“). Künftig könnten auch Xenotransplantationen eine interessante Alternative darstellen, also von Gewebezellen zweier verschiedener Spezies – aktuell gibt es in der Wissenschafts-Community Studien mit Inselzellen von Schweinen.