Cybulla berichtete vom Fall eines 12jährigen, der sich mit brennenden Schmerzen in Handflächen und Füßen und Arthralgien der Knie-und Sprunggelenke beim Hausarzt vorstellte. Das Labor war unauffällig, eine Therapie mit Paracetamol blieb erfolglos.
Der Patient stellt sich wiederholt beim Hausarzt und bei Fachärzten vor, auch eine Vorstellung beim Neurologen bringt keine auffälligen Befunde. Die Untersuchung beim Rheumatologen ergibt ein ANA 1:4000, ansonsten sind die Befunde unauffällig: RF und anti-CCP negativ, keine Entzündungskonstellationen.
Die Verdachtsdiagnose lautet: Juvenile idiopathische Arthritis (JIA). Doch Therapieversuche mit Sulfasalazin, Leflunomid und Kortison bleiben ohne Erfolg. Ein Versuch mit MTX bringt leichte Besserung, der Patient benötigt aber weiterhin NSAR, die Therapie wird bis zum 18. Lebensjahr fortgesetzt.
Eine weitere Vorstellung bei einem anderen Rheumatologen führt zur Diagnose “keine systemisch entzündliche Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis”. MTX wird abgesetzt. Mit 25 Jahren entwickelt der Patient erstmals eine Proteinurie > 1g/die und eine Hypertonie. Die Überweisung zum Nephrologen, der eine Nierenpunktion durchführt bringt Klarheit: Periphere Neuropathie.
“Schmerzen sind ein frühes Symptom der peripheren Neuropathie und führen bei bis zu 77 Prozent der Patienten zu Beeinträchtigungen. Die Patienten leiden an Akroparästhesien und an Krisen mit brennenden und stechenden Schmerzen. Körperliche Anstrengung, Temperaturwechsel und Stress können eine Schmerzkrise auslösen”, erklärt Cybulla. Dabei ist Fähigkeit zum Schwitzen häufig vermindert, das verringert die körperliche Leistungsfähigkeit und Hitzeverträglichkeit. Die Diagnosestellung erfolgt über klinische Symptome mit Biopsien, die Messung der Enzymaktivität im Blut, Gb3 im Urin, Lyso-Gb3, eine genetische Untersuchung und eine Familienstammbaumanalyse.
Mit leichter Erschöpfbarkeit und Oberbauchbeschwerden stellt sich ein 57jähriger Mann in der Rheumaambulanz vor, er leidet auch an Knochen-und Muskelschmerzen, an verschiedenen Stellen, meist in den Beinen, nicht genau lokalisierbar. “Die Symptome nennt man Drückeberger-Trias”, so Cybulla.
Der Patient berichtet von dumpfen, ziehenden Knochenschmerzen in den Beinen und Kniegelenksschmerzen. Als Kind, so der Patient, habe er immer wieder “Knochenentzündung” gehabt und tagelang zuhause bleiben mussten. Die Milz ist vergrößert, die Blutwerte sind schlecht, häufig treten blaue Flecken auf, gelegentlich Nasenbluten und eine Neigung zu grippalen Infekten. Im Labor zeigt sich ein Hb 11,1 g/dl, Thrombozyten 36 000 /µl, Leukozyten 3830/µl, Lymphozyten 24 rel. %, Eosinophile 9,2 rel. %, Monozyten 9,2 rel. %. Das Gesamteiweiß lag bei 8,3 g/dl, y-Globuline 16,1 rel. %, monoklonale Gammopathie IgG/Kappa. Die BSG lag bei 29 mm n.W. , die konventionelle klinische Chemie war unauffällig. In der Sonografie zeigt sich die Leber deutlich vergrößert und homogen, die Milz 197 x 63 mm. Keine Besonderheiten an Herz-und Kreislaufsystem. Diagnose: Splenomegalie unklarer Genese, Panzytopenie, monoklonale Gammopathie unklarer Genese. Die weitere Labordiagnostik ergibt: Aktivität der ß-Glucocerebrosidase in Leukozyten: 1,1 nmol (mg xh), der Normbereich liegt zwischen 10 und 25.
Um die Verdachtsdiagnose Morbus Gaucher auch biochemisch zu sichern wird das GBA1-Gen sequenziert. ACE-, saure Phosphatase-Aktivität, Ferritinkonzentration im Serum meist oft massiv erhöht. Chitotriosidaseaktivität im Plasma 6740 nmol/(ml x h), Normbereich 0 – 200. In der radiologischen Diagnostik (MRT) zeigen sich inhomogene, fleckförmige Signalabsenkungen in der MIR-Tomographie der unteren Extremität. “Behandelt wird Morbus Gaucher mit einer Enzymersatztherapie”, so Cybulla.
Im dritten Fall stellt sich eine 58jährige Frau mit chronischen Schmerzen im ganzen Körper vor. Die Diagnose vor 14 Jahren lautete Fibromyalgie. Die Symptome haben sich über die Jahre kontinuierlich verschlechtert, aktuell muss die Patientin an Krücken gehen. Die Gelenke sind weder geschwollen noch gerötet. Die Patientin berichtet vornehmlich von muskulären Problemen. Das Labor ist unauffällig, die Therapie mit NSAR zeitigt keinen Erfolg. Die Vorstellung beim Orthopäden und beim Neurologen erbringt keine auffälligen Befunde. Unauffällig sind auch die radiologischen Untersuchungen, die Tender points sind negativ. Nur die Harnsäurewerte liegen zwischen 6,0 und 8,0 mg/dl und ein massiver Vitamin D-Mangel fällt auf. Immunologisch zeigt sich ANA positiv (1:800), ENA-Differenzierung negativ, ds-DNS-AK negativ, ANCA negativ, Rheumafaktoren = 30 IU/ml.
Die Verdachtsdiagnose lautet: Chronisches Schmerzsyndrom unklarer Genese. Die Laboruntersuchungen werden mehrfach wiederholt, dabei fällt auf: Alkalische Phosphatase 35 und 39 U/l (Norm: 35 bis 106 U/l). Erweiterte Diagnostik: Pyridoxal-Phosphat im Plasma: 80 ng/ml (Norm: 5-30 ng/ml). Pyridoxal-5-Phosphat im Urin: 1,5 ng/ml (Norm: < 0,7 ng/ml). Verdachtsdiagnose: Hypophosphatasie Molekulargenetisch wird die klinisch-radiologische Diagnose bestätigt.
Hypophosphatasie bzw. Rathbun-Syndrom ist eine seltene angeborene Erkrankung des Knochen-und Mineralstoffwechsels mit häufig schwerem, bisweilen tödlichem Verlauf. Die Inzidenz beträgt (geschätzt) 1:100 000 Einwohner. In Deutschland sind ca. 200 Kinder daran erkrankt. Die Diagnose ist aufgrund der Seltenheit/Vielfältigkeit der Symptome schwierig, die Dunkelziffer milder Formen ist hoch. “Bei unklaren Schmerzen sollte man immer auch an seltene, genetische Erkrankungen denken”, schloss Cybulla.
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Quellen:
44. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), Congress Center Messe Frankfurt, 31. August bis 3. September
Alexion Pharma GmbH: Nicht Alltägliches in der täglichen Praxis, Freitag 2. September, 13. bis 14.30 Uhr