Millionen Menschen können ihre Gliedmaßen aufgrund neurologischer Störungen oder wegen einer Verletzung nicht bewegen. Doch ein neu entwickelter Algorithmus könnte im Zusammenspiel mit roboter-assistierter Rehabilitation Patienten nach einem Schlaganfall oder einer Verletzung des Spinalkanals helfen.
In den Vereinigten Staaten treten jährlich rund 17.000 neue Fälle von Spinalkanalverletzungen auf. Davon haben 20 Prozent eine vollständige Querschnittslähmung zur Folge und mehr als 13 Prozent eine Tetraplegie. Auch Schlaganfälle, MS, Zerebralparese und weitere neurologische Störungen können zu Paralysen führen.
Nun haben Forscher des National Centre of Competence in Research Robotics at École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) und des Lausanne Universitätskrankenhauses in der Schweiz eine neue Technologie entwickelt, die diesen Patienten helfen könnte, die Fähigkeiten des Bewegungsapparates wiederzuerlangen. Die Forscher erstellten einen Algorithmus, der einem robotischen Gurt hilft, die Bewegungen der Patienten zu erleichtern, um es ihnen so zu ermöglichen, natürlich zu gehen. Die neue Studie wurden im Journal Science Translational Medicine veröffentlicht.
Aktuelle Rehabilitationstechnologien für Menschen mit motorischen Störungen belaufen sich auf das Gehen auf einem Laufband, während der Oberkörper von einem Apparat unterstützt wird. Doch die gegebenen Technologien sind zu rigide und erlauben es dem Patienten nicht, sich natürlich in alle Richtungen fortzubewegen.
Wie die Autoren der neuen Studie um Jean-Baptiste Mignardot erklären, besteht die Herausforderung der Rehabilitation des Bewegungsapparats darin, dem Nervensystem zu helfen, die richtigen Bewegungen "neu zu erlernen". Dies ist aufgrund des Verlustes der Muskelmasse bei den Patienten sowie der neurologischen Verdrahtung, die eine korrekte Haltung "vergessen" hat, schwierig. Um diese Hürden zu überwinden, haben Mignardot und seine Kollegen einen Algorithmus designt, der mit einem robotischen Rehabilitationsgurt zusammenarbeitet.
Das Team testete den Algorithmus bei mehr als 30 Patienten. Der "smart walk assist" verbesserte sofort die lokomotorischen Fähigkeiten der Patienten deutlich. Zusätzlich verbesserte sich nach einer Stunde Training mit Gurt und Algorithmus die nicht unterstützte Gehfähigkeit von fünf Patienten deutlich. Im Gegensatz dazu verbessert eine Stunde auf einem konventionellen Laufband das Gehen nicht.
Die Forscher entwickelten den sogenannten "Gravity-Assist-Algorithmus" nach sorgfältiger Überwachung der Bewegungen der Patienten und unter Berücksichtigung von Parametern wie Beinbewegung, Länge des Schrittes und Muskelaktivität. Die Autoren erklären, dass der Algorithmus auf der Grundlage dieser Messungen die Kraft identifiziert, die auf die untere Hälfte des Körpers ausgeübt werden muss, um ein natürliches Gehen zu ermöglichen. Der "smart walk assist" ist ein das Körpergewicht unterstützendes System, da es in der Lage ist, der Schwerkraft entgegenzuwirken und den Patienten vor- und zurücktreibt, nach links und nach rechts oder in mehrere Richtungen gleichzeitig, was den natürlichen Gang sowie die Bewegungen, die Patienten in ihrem Alltag brauchen, wiederherstellt.
Grégoire Courtine, ein Neurowissenschaftler am EPFL und am Lausanne Universitätskrankenhaus, kommentiert die Relevanz der Ergebnisse: "Ich denke, dass diese Plattform eine entscheidende Rolle bei der Gehrehabilitation von Menschen mit neurologischen Störungen spielen wird. Das ist eine kluge, diskrete und wirksame Hilfe, die vielen Menschen mit neurologischer Störung bei der Rehabilitation helfen wird."