Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat den Impfstoff Shingrix von GlaxoSmithKline zur Prävention von Herpes Zoster (Gürtelrose) und Post-Zoster-Neuralgie (PZN) bei Erwachsenen ab 50 Jahren zugelassen. Shingrix ist ein Totimpfstoff, der mit zwei intramuskulären Dosen im Abstand von zwei (ggf. bis sechs) Monaten verabreicht wird. Patienten mit Herpes Zoster oder PZN beschreiben ihren Schmerz als "furchtbar", "unerträglich" und "qualvoll".
Mit den derzeit verfügbaren Therapieoptionen ist es oft nur eingeschränkt möglich, die Symptome einer Gürtelrose zu lindern und nachfolgende Komplikationen wie eine PZN zu verhindern. Idealerweise sollte eine antivirale Behandlung innerhalb von 72 Stunden nach Auftreten des Hautausschlages beginnen. Da sich die Symptomatik zu Beginn jedoch oft unspezifisch darstellt, ist dies in der Regel selten der Fall. Mit Shingrix steht nun erstmals ein innovativer, adjuvantierter Totimpfstoff zur Verfügung, der einen hohen, altersunabhängigen und langanhaltenden Schutz vor dieser schmerzhaften und schwerwiegenden Erkrankung bietet.
Als Totimpfstoff kann Shingrix auch immunsupprimierten Personen verabreicht werden. Lebendimpfstoffe sind bei dieser besonders gefährdeten Patientengruppe kontraindiziert.
In einem umfangreichen Phase-III-Studienprogramm mit mehr als 38.000 Probanden wurden Wirksamkeit, Sicherheit und Immunogenität untersucht. In den klinischen Studien zeigte Shingrix eine Wirksamkeit von über 90 Prozent, und zwar in allen Altersgruppen: 50 bis 59 Jahre, 60 bis 69 Jahre, 70 bis 79 Jahre und sogar bei den ≥80-Jährigen.
Die Wirksamkeit von über 90 Prozent besteht außerdem langanhaltend über einen Zeitraum von bisher vier Jahren und wird weiterhin in klinischen Studien erfasst. Es liegen bisher Immunogenitätsdaten von bis zu neun Jahren vor: Sowohl die zelluläre als auch die humorale Immunantwort hielten bisher über diese Zeit an. Die Immunantwort persistierte ab dem vierten Jahr stabil altersunabhängig über dem Baseline-Wert. Lokalreaktionen traten in der geimpften Gruppe häufiger auf als unter Plazebo.
Die meisten berichteten lokalen und systemischen unerwünschten Ereignisse waren leichter bis mittelschwerer Ausprägung mit einer durchschnittlichen Dauer von drei Tagen. Die Rate der schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse war bei Shingrix und Plazebo über einen mittleren Nachbeobachtungszeitraum von vier Jahren in Phase-III-Studien vergleichbar.2,3
In Deutschland erkranken pro Jahr etwa 400.000 Menschen an Herpes Zoster.5 Die Gürtelrose ist in der Regel ein schmerzhafter, juckender Hautausschlag auf einer Körperseite, der zwei bis vier Wochen lang anhalten kann. Nach dem Abklingen des Ausschlags kann eine Post-Zoster-Neuralgie bestehen bleiben, d.h. Schmerzen, die mindestens drei Monate und bis zu mehrere Jahre lang anhalten.
Die PZN ist die häufigste Komplikation der Gürtelrose und nur schwer behandelbar. Sie tritt altersabhängig bei 5 bis 30 Prozent aller Fälle von Herpes Zoster auf. 15 bis 20 Prozent aller Fälle von Gürtelrose betreffen den Nervus ophthalmicus und können Sehstörungen oder gar Sehverlust zur Folge haben.
Als weitere Komplikationen eines Herpes Zoster treten Hörverlust, Enzephalitis, Retinitis, Myelitis, Gefäßentzündungen und Schlaganfälle auf.
Gürtelrose wird durch die Reaktivierung des Varizella-Zoster-Virus (VZV) verursacht. Dieses ruft als Primärinfektion Windpocken hervor und verbleibt anschließend latent im Rückenmark.
Etwa 99,5 Prozent der über 50-Jährigen sind mit dem VZV infiziert und tragen das Virus inaktiv im Nervensystem. Im Laufe des natürlichen Alterungsprozesses verlieren die Zellen des Immunsystems die Fähigkeit, eine starke und wirksame Immunantwort gegen die Reaktivierung des VZV aufrecht zu erhalten.7 Bei älteren Menschen und Patienten mit Erkrankungen, die das Immunsystem beeinträchtigen, ist daher das Risiko für eine Gürtelrose am höchsten. In Europa erkrankt etwa jeder Dritte im Laufe seines Lebens an Herpes Zoster. Ab 85 Jahren steigt das Risiko besonders; in dieser Altersgruppe kann jeder Zweite an einem Herpes Zoster erkranken.11
Shingrix wurde gezielt entwickelt, um die altersbedingte Schwächung des Immunsystems zu überwinden.3 Der Impfstoff ist eine Kombination aus dem VZV-Oberflächen-Antigen Glykoprotein E und dem Adjuvanssystem AS01B.
So kann das mit zunehmendem Alter fortschreitende Abnehmen der Immunität überwunden werden. Shingrix wurde im Oktober letzten Jahres in Kanada und in den USA eingeführt. Japan hat gleichzeitig zu Europa eine Zulassung erhalten. In Australien wird der Impfstoff derzeit von den Zulassungsbehörden geprüft.
Mit mehr als 38.000 Probanden weltweit untersuchte die klinische Phase III die Wirksamkeit, Sicherheit und Immunogenität von zwei Dosen Shingrix bei intramuskulärer Verabreichung im Abstand von zwei Monaten bei älteren Erwachsenen. Die Zulassungsstudie ZOE-50 (Wirksamkeit bei Erwachsenen im Alter von 50 Jahren und älter) ist eine randomisierte, Beobachter-verblindete, plazebokontrollierte, multizentrische und multinationale (Nordamerika, Europa, Lateinamerika und Asien-Pazifik) Phase-III-Studie, an der 16.160 Erwachsene im Alter von 50 Jahren und älter beteiligt waren.
Die Studie begann im August 2010. Zwei Dosen wurden im Abstand von zwei Monaten intramuskulär injiziert. Das primäre Ziel dieser Studie war der Nachweis der Wirksamkeit des Impfstoffes gegen Herpes Zoster bei Menschen im Alter von 50 Jahren und älter im Vergleich zu Plazebo. Die Studie umfasste Probanden in den Altersbereichen 50-59, 60-69, 70-79 und ≥80 Jahre.
Die Daten wurden im April 2015 im NEJM veröffentlicht.2 Die ZOE-70-Studie (Wirksamkeit bei Erwachsenen im Alter von 70 Jahren und älter) ist eine randomisierte, Beobachter-verblindete, kontrollierte multizentrische und multinationale (Nordamerika, Europa, Lateinamerika und Asien-Pazifik) Phase-III-Studie, an der mehr als 14.800 Erwachsene im Alter von 70 Jahren und älter beteiligt waren.
Zwei Dosen wurden im Abstand von zwei Monaten intramuskulär injiziert. Die Studie, die kurz nach der ZOE-50-Studie begann, umfasste Probanden im Alter von 70-79 und ≥80 Jahren. Das primäre Ziel der ZOE-70-Studie war der Nachweis der Wirksamkeit des Impfstoffes gegen Herpes Zoster bei Personen im Alter von 70 Jahren und älter im Vergleich zu Plazebo. Die Daten wurden im September 2016 im NEJM veröffentlicht.3
Eine gepoolte Analyse der beiden Studien ZOE-50 und ZOE-70 untersuchte die Wirksamkeit des Impfstoffes gegen Herpes Zoster und PZN in über 16.000 Personen im Alter von 70 Jahren und älter. Weitere Studien werden bei Patienten mit soliden sowie hämatologischen Tumoren, Patienten mit hämatopoetischen Stammzell- und Nierentransplantationen durchgeführt.
Diese Studien werden zusätzliche Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs bei Populationen liefern, bei denen aufgrund eines geschwächten Immunsystems ein hohes Risiko für Gürtelrose besteht.
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Quellen:
[1] http://ec.europa.eu/health/documents/community-register/html/h1272.htm#top
[2] Lal et al., N Engl J Med 2015; 372:2087-2096. Efficacy of an Adjuvanted Herpes Zoster Subunit Vaccine in Older Adults
[3] Cunningham et al., N Engl J Med 2016; 375: 1019-32. Efficacy of the herpes zoster subunit vaccine in adults 70 years of age or older.
[4] Schwarz TF et al., Hum Vacc Immunother 2018; DOI: 10.1080/21645515.2018.1442162 Persistence of immune response to an adjuvanted varicella-zoster virus subunit vaccine for up to year nine in older adults
[5] IQWiG – Gürtelrose: https://www.gesundheitsinformation.de/guertelrose.2829.de.html#sources; accessed Jan 2018
[6] Kawei K et al., BMJ Open 2014;Systematic review of incidence and complications of herpes zoster: towards a global perspective. 4:e004833.
[7] Johnson RW et al., Therapeutic Advances in Vaccines. 2015;3(4):109-120. Herpes zoster epidemiology, management, and disease and economic burden in Europe: a multidisciplinary perspective.
[8] Gershon AA et al., J Clin Vir 2010; 48:S1, 52-57. Advances in the understanding of the pathogenesis and epidemiology of herpes zoster;
[9] Harpaz R at al.,; Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP), Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Prevention of herpes zoster: recommendations of the Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP). MMWR Recomm Rep. 2008 Jun;57(RR-5):1-30
[10] Gnann JW et al., N Eng J Med. 2002; 347(5):340-6. Clinical practice. Herpes zoster.
[11] Hillebrand K et. al., Journal of Infection 2015; Vol 70:178-186. Incidence of herpes zoster and its complications in Germany, 2005-2009