Zöliakie ist eine seltene Verdauungsstörung und Anorexia nervosa eine chronische Essstörung. Beide Erkrankungen haben ähnliche Symptome und treten häufig bei Jugendlichen auf. Eine neue Studie untersucht nun einen möglichen Zusammenhang beider Krankheiten bei jungen Frauen.
Die entzündliche, gastrointestinale Störung Zöliakie schädigt den Dünndarm und wird durch glutenhaltige Lebensmittel ausgelöst. In den Vereinigten Staaten betrifft dies einen von 141 Menschen, so das Nationale Institut für Diabetes, Verdauung und Nierenerkrankungen. Gleichzeitig sind derzeit mindestens 30 Millionen Menschen in den USA von Essstörungen betroffen. Wobei Anorexia nervosa (AN) als eine ernsthafte Essstörung gilt und bei fast einem Prozent aller amerikanischen Frauen auftritt. Beide Krankheiten scheinen besonders Jugendliche und junge Erwachsene zu betreffen. Ein Forschungsteam um Dr. Karl Marild vom Barbara Davis Zentrums der Universität Colorado untersuchte nun die Verbindung beider Krankheiten und veröffentlichte die Ergebnisse im Journal Pediatrics.
Die Studie untersuchte 17.959 schwedische Frauen, bei denen zwischen 1969 und 2008 Zöliakie diagnostiziert wurde. Ihre Zöliakie-Diagnose erhielten die Teilnehmerinnen durchschnittlich im Alter von 28 Jahren, während 353 Teilnehmerinnen eine AN-Diagnose im Alter von durchschnittlich 17 Jahren erhielten. Insgesamt wurden die Patientinnen klinisch für 1.174.401 Personenjahre beobachtet, um die entsprechenden Inzidenzraten zu berechnen. Weiterhin untersuchten die Forscher eine Kontrollgruppe von 89.379 Frauen, die nicht an Zöliakie erkrankt waren. Letztendlich bekamen 54 der fast 18.000 Patientinnen mit Zöliakie auch eine AN-Diagnose, im Vergleich zu 180 Fällen unter 89.379 Teilnehmerinnen der Kontrollgruppe. Dies entspricht einer Inzidenzrate von AN nach einer Zöliakie-Diagnose von 27/100.000 Personenjahren. Zudem hatten 33 der Teilnehmerinnen aus der Zöliakie-Gruppe sowie 76 Teilnehmerinnen der anderen Gruppe bereits vor ihrer Zöliakie-Diagnose eine Vorgeschichte mit AN.
Die Studie zeigt eine ‘bidirektionale‘ Verbindung zwischen Zöliakie und AN, sowohl vor, als auch nach einer Zöliakie-Diagnose. Erwachsene im Alter von 20 Jahren oder älter, denen Zöliakie diagnostiziert wurde, hatten eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit im späteren Leben AN zu entwickeln. Bei jungen Frauen, die vor dem 19. Lebensjahr eine Zöliakie-Diagnose erhielten, war es viereinhalbmal wahrscheinlicher, dass sie auch vor den Kontrollen schon mit AN diagnostiziert worden waren.
Da es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, konnten die Forscher keine Rückschlüsse auf die Kausalität ziehen. Sie spekulieren allerdings über einen möglichen Zusammenhang: Menschen mit Zöliakie erhalten anfangs nicht selten fälschlich eine AN-Diagnose – oder umgekehrt. Das ließe sich auf die ähnliche Symptomatik beider Krankheiten zurückführen.
Die Autoren Neville H. Golden und K.T. Park kommentieren, dass ein “übermäßiger Fokus auf die Ernährung der Patienten mit Zöliakie zur Entstehung von AN bei anfälligen Personen führen kann.“ Sie betonen weiterhin: “Ein wichtiger Befund dieser Untersuchung ist, dass es zu Fehldiagnosen oder verzögerter Behandlung von Zöliakie während der Adoleszenz, einer besonders sensiblen Phase des Wachstums und der Entwicklung, kommen kann. Unsere Ergebnisse machen sowohl auf die anfängliche klinische Beurteilung, als auch auf laufende Neubewertungen beider Krankheiten, vor allem bei Patienten, die nicht auf die traditionelle Therapie reagieren, aufmerksam.“