Für viele Menschen, junge und alte, ist das Smartphone der ständige Begleiter. So wichtig deren Nutzung auch immer ist, die Folgen können gravierend sein. Nicht nur das Sozialverhalten kann sich ändern, es gibt auch medizinische Probleme.
Die Zahl der Kurzsichtigen in Deutschland ist hoch: Einer Studie der Universität Mainz zufolge leidet mehr als die Hälfte der Abiturienten und Hochschulabsolventen unter Kurzsichtigkeit (Myopie). "Das wird noch weiter zunehmen", warnt der Direktor der Augenklinik der Unimedizin Rostock, Anselm Jünemann. Einer der Hauptgründe ist für den Experten die überlange Nutzung von Smartphones bei Kindern und Jugendlichen und damit einhergehend die viel zu geringe Zeit im Freien und im Tageslicht. Kurzsichtige nehmen entfernte Objekte unscharf wahr.
Die permanente Naharbeit sei für die Myopie verantwortlich, betont Jünemann. Mit den Smartphones als stunden-, ja tage- und nächtelanger Begleiter von Jugendlichen würden die Effekte noch deutlich schlimmer. "Wir Augenärzte sollten deutlicher als bisher Position beziehen", sagt er. Wenn so viele Menschen fehlsichtig sind, habe das Folgen für die Gesellschaft und die Krankheitskosten. In Deutschland hätten aktuell sogar rund fünf Prozent der Bevölkerung einen Wert von mehr als minus sechs Dioptrien, ein bis zwei Prozent wären normal.
Beim permanenten Betrachten von Nahobjekten bekomme das Auge das Signal zu wachsen. "Das Wachstum ist unumkehrbar", erklärt der Mediziner. Je höher die Dioptrienzahl, desto länger ist der Augapfel. "Das ist wie bei einem Luftballon. Je stärker der aufgeblasen wird, desto dünner wird er." Das führe zu einer schlechteren Durchblutung und zur Degeneration der Netzhaut. Eine neue Volkskrankheit droht.
Die Einschätzung Jünemanns wird vom Berufsverband der Augenärzte mitgetragen. Aber letztlich seien die Einflussmöglichkeiten der Mediziner gering, sagt Verbandssprecher und niedergelassener Augenarzt im bayerischen Senden, Georg Eckert. "Eine allmähliche Bewusstseinsänderung muss stattfinden."
Jünemann ist angesichts der Verbreitung von Smartphones skeptisch und verweist auf die Fettsucht. Auch da seien alle Zusammenhänge bekannt, trotzdem steige die Zahl der Betroffenen unaufhörlich - mit teils schlimmen Folgen. Bei stark Fehlsichtigen komme hinzu, dass sie von einigen Berufen ausgeschlossen seien. "Möchten Sie gerne mit einem halbblinden Piloten fliegen?", stellt er die provozierende Frage.
"Die Lufthansa beobachtet die Entwicklung genau", sagt Airline-Sprecher Jörg Waber. Potenzielle Szenarien würden geprüft. Erstbewerber müssten eine Sehkraft von 100 Prozent vorweisen. Dabei sei eine Sehschwäche von plus oder minus drei Dioptrien möglich, die mit Brille oder Kontaktlinse korrigiert werden könne.
Die Einschränkung der Berufswahl ist für Jünemann der Hebel, um den Trend zu verändern. "Kinder verstehen viel, wenn man es erklärt." Es sei völlig ungeklärt, wie sich die Sehfähigkeit bei den heutigen jungen Fehlsichtigen bei anhaltender Fehlbelastung entwickelt. Was ist, wenn sie 50 oder 60 Jahre alt sind.
Vielleicht helfen dann Therapieansätze aus asiatischen Ländern, die noch viel mehr unter der Fehlsichtigkeit der Bewohner zu leiden haben. Sie träufeln sich eine 0,01-prozentige Belladonna-Lösung in die Augen. "Es funktioniert, wir wissen nur nicht wie."