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Neue Therapie bei Lungenentzündung

Wissenschaftlern der Charité – Universitätsmedizin Berlin ist es gelungen, die Immunreaktion bei einer schwerwiegenden viralen und gleichzeitig bakteriellen Infektion positiv zu beeinflussen.

Forscher heben Immunblockade gegen Bakterien auf

Wissenschaftlern der Charité – Universitätsmedizin Berlin ist es gelungen, die Immunreaktion bei einer schwerwiegenden viralen und gleichzeitig bakteriellen Infektion positiv zu beeinflussen. Anhand eines Modells an menschlichem Lungengewebe konnten sie zeigen, dass die Immunantwort auf eine Virusinfektion die Bekämpfung einer parallelen Infektion mit Bakterien verhindert.

Um die fehlgeleitete Reaktion des Immunsystems zu korrigieren, haben die Forscher einen pharmakologischen Ansatz erfolgreich getestet. Die Ergebnisse sind jetzt im Fachmagazin European Respiratory Journal erschienen. 

Lungenentzündungen zählen laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den fünf häufigsten Todesursachen weltweit. Schätzungsweise alle 15 Sekunden stirbt ein Kind an dieser Erkrankung. Betroffen sind zudem viele ältere Menschen. Damit ist die Lungenentzündung eine der großen Volkskrankheiten und zeigt bis heute eine seit über 70 Jahren gleichbleibende Sterblichkeit. Grund hierfür sind einerseits zunehmende Resistenzen von Bakterien gegen die antibiotische Therapie, aber auch die Tatsache, dass gegen viele Erreger wie Viren bislang keine effektiven Medikamente vorhanden sind. "Wesentliches Problem ist meist eine zu starke organschädigende Immun- oder auch Entzündungsreaktion", erklärt Prof. Dr. Andreas Hocke von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Infektiologie und Pneumologie der Charité. Um neue therapeutische Ansätze zu entwickeln, fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft seit 2010 den Sonderforschungsbereich SFB-TR84, der sich grundlegenden Mechanismen der Lungenentzündung widmet. 

Unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Hocke und Prof. Dr. Stefan Hippenstiel entwickelten in diesem Rahmen Forscherteams an der Charité ein Modell an menschlichem Lungengewebe, mit dessen Hilfe wesentliche Merkmale einer Lungenentzündung simuliert werden können. Bislang werden weltweit die meisten Untersuchungen dieser Art an Zellkulturen oder Tiermodellen durchgeführt, teilweise lassen sich die biomedizinischen Erkenntnisse nur eingeschränkt auf den Menschen übertragen. Anhand des neuen experimentellen Zugangs ist es nun möglich, die originäre dreidimensionale Gewebestruktur nachzuempfinden und die Untersuchung von menschlichen Krankheitserregern zu simulieren. "Wir konnten die Interaktion von Viren und Bakterien mit menschlichen Lungenbläschen in den ersten Stunden nach Infektionsbeginn analysieren und tatsächlich Unterschiede zu Tiermodellen zeigen", so Dr. Johanna Berg, Wissenschaftlerin und Erstautorin der aktuellen Studie. Mit ihrer Kollegin Dr. Katja Zscheppang infizierte sie menschliches Gewebe mit gefährlichen Influenza-Viren und im Anschluss mit Pneumokokken, um auf diese Weise eine besonders schwere Form der Lungenentzündung nachzustellen.

Viren und Bakterien werden vom Immunsystem unterschiedlich bekämpft. Die Wissenschaftler gingen von der Annahme aus, dass die Reaktion gegen die Viren direkt die Bekämpfung der Bakterien verhindert. In der Folge erlangen die Bakterien einen Vorteil, vermehren sich in der Lunge und schädigen das Gewebe. Im Experiment bestätigt sich diese Annahme. Als Reaktion auf die Influenza-Viren löst das menschliche Lungengewebe zunächst eine sehr differenzierte Antwort des Immunsystems aus. "Wir konnten nachweisen, dass die gegen die Viren gerichtete Immunantwort schädlich für eine anschließende Bekämpfung einer bakteriellen Infektion mit Pneumokokken ist", erklärt Dr. Berg. „Der zentrale Botenstoff Interleukin-1 beta, der Entzündungsreaktionen vermittelt, wird in bestimmten Abwehrzellen der Lungenbläschen blockiert. Dadurch bleiben eine nachfolgende Aktivierung des Immunsystems und möglicherweise auch zelluläre Reparaturprozesse unterbunden“, so die Wissenschaftlerin weiter. 

Um auf die fehlgeleitete Immunreaktion Einfluss zu nehmen, nutzte das Forscherteam ein Medikament, das bereits bei anderen Entzündungs- und Tumorerkrankungen klinisch getestet wird. "Die Substanz hemmt den Botenstoff Tyrosinkinase-2, der die virale Immunreaktion in der Lunge vermittelt. Somit wird das Immunsystem wieder in die Lage versetzt, auch die bakterielle Infektion zu bekämpfen", erläutert Studienleiter Prof. Hocke. Dieser neue therapeutische Ansatz konnte gemeinsam mit einem industriellen Partner zum Patent angemeldet werden. In weiteren Untersuchungen werden die Wissenschaftler nun am menschlichen Lungeninfektionsmodell die Rückwirkung auf die Bekämpfung der Viren untersuchen. Zudem arbeiten sie an einem Ansatz, um die Erkenntnisse in einer klinischen Studie anzuwenden.