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Neue Studie zur Toleranzentwicklung bei Opiaten

Ein internationales Wissenschaftlerteam hat weitere molekulare Details der Toleranzentwicklung gegen Opiate aufklären können. Die Ergebnisse liefern wichtige Ansätze für die Entwicklung synthetischer Wirkstoffe mit geringer Toleranzentwicklung und reduziertem Suchtpotenzial.

Ergebnisse dienen der Entwicklung weniger toleranz- und abhängigkeitsbildender Medikamente

Ein internationales Wissenschaftlerteam aus Jena, Sydney, Melbourne und Marburg hat weitere molekulare Details der Toleranzentwicklung gegen Opiate aufklären können. In seiner Studie beschreibt es für Morphin und synthetische Opioide in Ablauf und Geschwindigkeit unterschiedliche Mechanismen, die zur Desensibilisierung der Opioidrezeptoren führen. Die jetzt in "Science Signaling" veröffentlichten Ergebnisse liefern wichtige Ansätze für die Entwicklung synthetischer Wirkstoffe mit geringer Toleranzentwicklung und reduziertem Suchtpotenzial.

Für die Behandlung starker Schmerzen, zum Beispiel nach Operationen oder bei Krebserkrankungen, sind Opiate wie Morphin oder synthetische Opioide nach wie vor die wichtigsten Schmerzmittel. Ihr Nutzen wird jedoch stark eingeschränkt durch eine Verlangsamung der Atmung und das große Suchtpotential. Vergrößert wird die Gefahr dieser Nebenwirkungen noch durch einen Gewöhnungseffekt. Die Toleranzentwicklung kann eine Verzehnfachung der Dosis notwendig machen, um die gewünschte Schmerzlinderung zu erzielen. Dies sind die Schlüsselfaktoren für Todesfälle infolge einer Opioidüberdosis, deren Zahl vor allem in den USA im letzten Jahrzehnt dramatisch gestiegen ist.

Die Arbeitsgruppe von Stefan Schulz am Universitätsklinikum Jena erforscht seit Jahren die molekularen Mechanismen der Regulation von Opiodrezeptoren, der spezifischen Andockstellen für diese Wirkstoffe auf der Oberfläche von Nervenzellen. "Es ist ein eigentlich sinnvoller Schutzmechanismus der Zelle vor einer Dauerreizung, dass sie bei einem Überangebot von Botenstoffen die Rezeptoren weniger empfindlich macht", beschreibt der Professor für Pharmakologie und Toxikologie den Prozess, der die Wirkung der eigentlich effektiven Schmerzmittel immer mehr abschwächt. Nach der Aktivierung des Rezeptors durch den Wirkstoff sorgen Enzyme dafür, dass Phosphatgruppen an Bereiche des Rezeptormoleküls gebunden werden, die im Zellinneren liegen. Dann wird das Gerüstprotein Arrestin an den Rezeptor gebunden, welcher schließlich in die Zelle aufgenommen wird. "In früheren Arbeiten konnten wir zeigen, dass dieser Prozess bei synthetisch hergestellten hochwirksamen Opioiden wesentlich ausgeprägter ist als beim natürlich vorkommenden Wirkstoff Morphin", so Stefan Schulz, "die Signalwege für die Toleranzentstehung unterscheiden sich für diese Wirkstoffgruppen."

Gemeinsam mit Kollegen aus Sydney, Melbourne und Marburg konnten die Jenaer Forscher jetzt weitere Details der an der Toleranzentwicklung beteiligten Mechanismen aufklären. In ihren Untersuchungen konzentrierten sie sich dabei auf die genauen räumlichen und zeitlichen Abläufe der Bindungsprozesse. "Wir fanden Phosphorylierungsmuster, die hochspezifisch für die verschiedenen Wirkstoffe sind und ein ausgeklügeltes Zusammenspiel der Enzyme und Gerüstproteine ansteuern. Im Vergleich zu Morphin bewirken synthetische Opioide eine höhere Enzymaktivität und eine schnellere Desensibilisierung der Rezeptoren", fasst die Erstautorin der Studie, Dr. Elke Miess zusammen. Neben den molekulargenetischen Standardverfahren, die in der Zellkultur zum Einsatz kamen, nutzen die Wissenschaftler auch hochempfindliche biooptische Methoden für ihre Untersuchungen. Den Nachweis, dass im Einzelfall eine Bindung des Proteins Arrestin an den Rezeptor stattgefunden hatte, führten sie mit gleich drei voneinander unabhängigen Verfahren.

"Wir konnten wesentliche molekulare Details der Toleranzentstehung gegen Opioid-Analgetika aufklären", wertet Stefan Schulz die Ergebnisse der Arbeit. "Sie liefert hilfreiche Ansätze für weiterführende Entwicklung von Opioiden, die weniger Toleranz und Abhängigkeit auslösen."

Quelle: Uniklinikum Jena