Union und SPD wollen in ihrer neuen Koalition Verbesserungen in der Altenpflege erreichen. Doch Experten sind skeptisch, ob das reicht. Sie fordern grundlegendere Weichenstellungen.
Die Diakonie Deutschland fordert von der neuen Bundesregierung grundlegende Verbesserungen in der Altenpflege. "Das ist ein Gradmesser für die Humanität unserer Gesellschaft", sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Lilie begrüßte die von Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag versprochene "Konzertierte Aktion Pflege". Allerdings seien die als Sofortprogramm angekündigten 8.000 neuen Pflegefachkräfte zu wenig.
Lilie sagte, in Deutschland gebe es einen Akutbedarf an 60.000 neuen Stellen. "Da reden wir über Milliarden und nicht über 400 Millionen Euro, die den 8.000 neuen Stellen entsprechen." Mit Spannung wird erwartet, was der designierte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beim Deutschen Pflegetag am kommenden Donnerstag in Berlin ankündigt.
Angehörige müssten spürbar entlastet werden, und Verbesserungen dürften nicht in erster Linie zu finanziellen Lasten der Pflegebedürftigen und ihrer Familien gehen, forderte Lilie. Nötig sei eine großzügigere und fundierte Personalbemessung in den Einrichtungen.
Der Bremer Pflege-Forscher Heinz Rothgang sagte der dpa: "Bereits 2012 prognostizierte die Bertelsmann-Stiftung eine Personallücke von 500.000 Vollzeitstellen in der Langzeitpflege bis zum Jahr 2030." Ein Teil dieser Lücke gebe es heute. "Doch selbst, wenn alle Stellen besetzt wären, wäre immer noch zu fragen, ob wir damit eine fachgerechte Pflege hätten." Viele Hinweise aus der Branche deuteten darauf hin, dass das nicht der Fall sei. "Wir untersuchen für die Bundesregierung gerade, wie viel Personal wir für eine fachgerechte Pflege brauchen." 2019 sollten Ergebnisse vorliegen.
Die angekündigten 8.000 neuen Stellen für Behandlungspflege seien "ein Tropfen auf den heißen Stein", sagte Rothgang. "Wir werden über Jahrzehnte steigende Zahlen an Pflegebedürftigen haben", sagte er. "Der Arbeitsmarkt kippt, es gibt immer weniger Fachkräfte. Die Situation wird sich nicht entspannen."
Der Wissenschaftler meinte, das Vorhaben von Union und SPD von flächendeckenden Tarifverträgen in der Pflege werde nicht einfach umzusetzen sein. "Denn die Mehrzahl der Heimträger ist frei-gemeinnützig." Bei den kirchlichen Trägern aber gebe es keine klassischen Tarifverträge. "Um einen Tarifvertrag für allgemeinverbindlich zu erklären, muss er aber in der Mehrheit der Einrichtungen gelten."
Diakonie-Präsident Lilie meinte, es sei verfrüht, die Hoffnung auf eine durchgreifende Verbesserung in der Altenpflege aufzugeben. "Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass die Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden", nannte er als Beispiel.