Zur Behandlung der mehr als 100 rheumatologischen Erkrankungen steht Medizinern eine große Bandbreite an Medikamenten zur Verfügung: Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR), Analgetika, Kortison, Biologika sowie die recht neue Gruppe der Biosimilars. Gegen einige Formen von Rheuma sind allerdings bisher keine Medikamente zugelassen, etwa für die Behandlung der schmerzhaften Kollagenosen oder Vaskulitiden, also der entzündlichen Erkrankung des Bindegewebes oder der Blutgefäße. Die Situation für Patienten könnte sich jedoch in den nächsten Jahren dank der intensiven Forschung auf dem Gebiet weiter verbessern. Neue Präparate stehen in der Pipeline.
“Wir sind aktuell in der komfortablen Situation, dass sehr viele Medikamente gegen Rheuma vor der Zulassung stehen, nachdem es einige Jahre kaum Neuentwicklungen gab”, erklärte Professor Ulf Müller-Ladner, Ärztlicher Direktor der Abteilung Rheumatologie und Klinische Immunologie der Kerckhoff-Klinik in Bad Nauheim und Tagungspräsident des 44. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) auf einer Pressekonferenz in Berlin. Rheuma betrifft nicht nur die Gelenke. In ihren vielen verschiedenen Formen greifen entzündlich-rheumatische Autoimmunerkrankungen auch Organe, Gewebe und sogar die Haut an.”„Es kann den ganzen Körper befallen. Das macht es so schwer, neue Therapien und Wirkstoffe zu entwickeln”, so Müller-Ladner.
Bei den Kollagenosen, wie Lupus erythematodes (SLE) oder dem Sjögren-Syndrom, erkrankt das Bindegewebe, Vaskulitiden greifen die Blutgefäße an. “Während gegen Gelenkrheuma wirksame Medikamente verfügbar sind, ist die medikamentöse Therapie von Kollagenosen und Vaskulitiden noch eingeschränkt.” Um die vielfältigen Varianten und Erscheinungsformen von Rheuma zu behandeln, benötigen Ärzte mehr Wirkstoffe, als derzeit zur Behandlung der jeweiligen Erkrankungen zugelassen sind. Der Rheumatologe hofft darauf, dass schon bald mehr lindernde Medikamente für spezielle rheumatologische Varianten zur Verfügung stehen: Im vergangenen Jahr wurde mit Secukinumab der erste Wirkstoff eingeführt, der den Botenstoff Interleukin 17 blockiert. “Interleukin 17 ist eine der wichtigsten entzündungssteigernden Signalsubstanzen und vor allem bei Entzündungsvorgängen an der Wirbelsäule und den Sehnenansätzen eine treibende Kraft”, erläutert Professor Müller-Ladner.
Das Mittel wird bereits erfolgreich bei Schuppenflechte mit Gelenkbefall eingesetzt, der Psoriasis-Arthritis, und auch bei Morbus Bechterew, einer Krankheit, bei der die Rückenwirbel miteinander verwachsen und versteifen. Schon im nächsten Jahr könnten mit Tofacitinib und Baricitinib zwei weitere Wirkstoffe zugelassen werden. Die Mittel blockieren ebenfalls die Weiterleitung der Entzündungssignale innerhalb der Abwehrzellen. “In klinischen Studien haben Tofacitinib und Baricitinib eine starke Wirkung bei guter Verträglichkeit gezeigt”, berichtet Professor Müller-Ladner. “Viele Patienten dürften auch begrüßen, dass Kinasehemmer als Tabletten eingenommen werden können”, so der Experte.
Bis zur Einführung eines weiteren Wirkstoffs – Mavrilimumab – dürften jedoch noch einige Jahre vergehen. Der Antikörper verhindert, dass sogenannte Fresszellen die Entzündungsreaktion im Gewebe anstacheln. Professor Müller-Ladner hofft, dass dieses Medikament auch bei Vaskulitiden wirksam ist. “Wir müssen hier aber noch die Ergebnisse weiterer klinischer Studien abwarten”, räumt der Rheumatologe ein. Auch die Beseitigung der Entzündungszellen ist eine erfolgreiche Behandlungsstrategie. Die Rheumatologen setzen seit einigen Jahren den Antikörper Rituximab ein, ursprünglich ein Krebsmedikament, das die Vernichtung dieser Zellen veranlasst. “Rituximab ist zu einem festen Bestandteil in unserem Therapierepertoire für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis geworden”, sagt Professor Müller-Ladner. Inzwischen wurde Rituximab zur Behandlung von Vaskulitiden zugelassen und auch bei der systemischen Sklerose, einer rheumatischen Erkrankung der Haut, hat sich der Wirkstoff laut Professor Müller-Ladner als wirksam erwiesen.
“Entscheidend ist für uns, dass vielversprechende Wirkstoffe zügig die Zulassungsverfahren durchlaufen und damit die rheumatologische Forschung schnellstmöglich beim Patienten ankommt“, sagt Professor Müller-Ladner. Generell sieht er bei der rheumatischen Arthritis eine gute Versorgung mit Medikamente. „Bei anderen Erkrankungen wird es schon eng, wenn ein Patient oder zwei Präparate nicht verträgt oder Allergien entwickelt.”
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