Inzwischen sind die Kombinations-Möglichkeiten der verschiedenen Medikamente sehr breit gefächert. Neue europäische Leitlinien geben nun Empfehlungen zum effektiven Einsatz der hochwirksamen Medikamente gegen alle verschiedenen Virus-Typen bei Hepatitis C. Prof. Dr. Frank Tacke von der Uni-Klinik Aachen hat sich die aktuellen Leitlinien ganz genau angesehen.
esanum: Was ist konkret neu an den europäischen Leitlinien? Wem helfen sie?
Tacke: Es gibt ein paar neue Optionen, neuzugelassene Medikamente und auch kurz vor der Markteinführung stehende Medikamente, die bereits mit eingearbeitet wurden. Diese erlauben es, fast alle Patienten erfolgreich behandeln zu können. Das betrifft insbesondere auch Patienten mit Begleiterkrankungen, wie zum Beispiel eine schwere Niereninsuffizienz. Oder solche, die schon eine fortgeschrittene Leberzirrhose haben. Dafür geben die Guidelines die klare Richtschnur, welche Medikamente für welchen Patienten geeignet sind.
Prof. Dr. Frank Tacke – Uni-Klinik Aachen
esanum: Welche Auswirkungen wird das auf deutsche Anwender in Kliniken und Praxen haben?
Tacke: Im Wesentlichen wird das in die deutsche Praxis und in den Klinikalltag übertragen werden. Insbesondere hilft das bei bestimmten Virusgenotypen, die sich bisher noch nicht so gut behandeln ließen. Parallel dazu werden die deutschen Leitlinienempfehlungen derzeit überarbeitet.
esanum: Noch dieses Jahr stehen etliche Neuzulassungen von weiteren Medikamenten gegen Hepatitis C ins Haus. Warum eigentlich – was ist bei Heilungsraten von über 95 Prozent noch zu verbessern?
Tacke: Diese Kombinationspräparate, die jetzt kurz vor der Einführung stehen, sind schon in die Leitlinien eingearbeitet. 2017 wird es weitere neue Substanzen geben und dann wird man das noch einmal aktualisieren. Zum Teil werden die Regime dadurch einfacher. Manche Präparate erlauben eine kürzere Behandlungszeit. Für Spezialpatientengruppen gibt es dann doch noch Therapiemöglichkeiten, die es vorher so nicht gab. Für einige der seltenen Genotypen besteht die Erwartung, dass die neuen Präparate noch erfolgreicher wirken.
esanum: Erleben wir vielleicht auch einen Kampf um Marktanteile? Die Medikamente sind ja sehr teuer, die Patientenzahlen hoch – das garantiert gute Umsätze.
Tacke: Jetzt stehen Produkte von mehreren Anbietern zur Verfügung, die ähnlich gut wirken. Diese Konkurrenz könnte die Behandlungen vielleicht etwas preiswerter machen. Die Ärzte sind unzufrieden damit, dass verglichen mit ihrem Honorar für die Behandlung eines Hepatitis-C-Patienten die Medikamente um ein Vielfaches teurer sind. Jedes hat natürlich ein paar Besonderheiten, so dass im Einzelfall manchmal doch nur eine der Möglichkeiten in Frage kommt, weil natürlich auch der Patient seine Besonderheiten aufweist. Aber bei völliger Gleichwertigkeit kann man sich jetzt für dasjenige Präparat entscheiden, das am preiswertesten ist.
esanum: Welche Rolle spielt bei den klar auf den jeweiligen Virus-Typ ausgelegten Kombi-Behandlungen noch die ärztliche Behandlungskunst?
Tacke: Die ist weiterhin ganz entscheidend, weil so viele Faktoren berücksichtigt werden müssen. Die Leitlinien stellen einen Rahmen dar, aber im Einzelfall haben manche Patienten weitere Medikationen oder andere Begleiterkrankungen, die man genau berücksichtigen muss. Da muss der Arzt exakt die Option herausfinden, von der der Patient am meisten profitiert.
esanum: Gibt es demnächst gar keine Probleme mehr mit der Erkrankung? Wird sie vom Planeten verschwinden?
Tacke: Das ist die Hoffnung. Und die WHO hat tatsächlich das Ziel formuliert, die Hepatitis C weltweit auszurotten. Theoretisch wäre es möglich, wenn sich alle zusammentun würden, um alle Patienten weltweit zu identifizieren und zu behandeln. Die Medikamente würden es durchaus erlauben, dass man das innerhalb einer überschaubaren Zeit schaffen könnte. Aber ganz so einfach ist das nicht. Es gibt immer wieder Neuinfektionen, etwa bei Patienten mit intravenösem Drogenabusus oder in Ländern mit niedrigeren Hygienestandards. Deswegen werden wir es vielleicht nicht erleben, dass die Erkrankung völlig verschwindet.
esanum: Es muss ja auch bezahlt werden.
Tacke: Es ist ein gewisser Druck entstanden, in Ländern mit niedrigerer Wirtschaftskraft die Präparate zu günstigeren Preisen abzugeben. Das tun die Firmen zum Beispiel in Ägypten. Und in Indien gibt es auch schon Generika – unter Verletzung des Patentschutzes. Auch in Rumänien, in Spanien und Italien werden die Medikamente günstiger abgegeben als in Deutschland.
Das Gespräch führte Vera Sandberg.
Vera Sandberg, geboren 1952 in Berlin, absolvierte ihr Journalistik-Studium in Leipzig und war 12 Jahre lang Redakteurin einer Tageszeitung in Ost-Berlin. Im Juni 1989 wurde ihr die Ausreise bewilligt, seit 1990 ist sie Autorin für verschiedene Publikationen, Journalistin für medizinische Themen und hat mehrere Bücher geschrieben, zuletzt “Krebs. Und alles ist anders”. Vera Sandberg ist Mutter von zwei inzwischen erwachsenen Kindern und lebt seit 2000 bei Berlin.