Vorhergehende Studien an Ratten hatten bereits darauf hingedeutet, dass eine chemische Verbindung namens Ampakin altersassoziierte kognitive Defizite verbessern kann. Außerdem soll die Produktion des wichtigen Wachstumsfaktors – Brain Derived Neurotrophic Factor (BDNF) – signifikant gesteigert werden können.
Studien mit Nagetieren, Affen und auch mit Menschen haben in der Vergangenheit gezeigt, dass die Dendriten unserer Nervenzellen im Laufe der Zeit verfallen. Ein Prozess, der bereits im mittleren Lebensalter beginnt. Dendriten sind astähnliche Fasern, die ausgehend vom Neuron hervorragen und Signale von anderen Neuronen empfangen und weiterleiten.
Wissenschaftler der Universität von California-Irvine wollten nun im Rahmen einer neuen Studie herausfinden, ob der Rückzug der Dendriten bereits bei 13 Monate alten oder erst bei “mittelalten” Ratten auftritt und wenn ja, ob Ampakin diesen Prozess rückgängig machen kann.
Das Team platzierte dafür 10 Monate alte, männliche Ratten in Käfigen, in denen sie genügend Platz, ein großes Laufrad und Objekte zum Erkunden vorfanden. Über die Dauer von 3 Monaten gaben die Forscher 11 Ratten jeden Tag Ampakin, während 12 weitere Ratten ein Placebo erhielten.
Während der drei Monate überwachten die Wissenschaftler die Aktivität der Ratten beim Erkunden ihrer neuen Umgebung. Nach Ablauf der Zeit betrachteten sie die Hippocampi der Ratten. Dabei handelt es sich um den Teil des Gehirns, der mit dem Lernen und mit dem Gedächtnis in engem Zusammenhang steht. Die Ergebnisse ihrer Analysen verglichen sie anschließend mit denen von heranwachsenden Ratten im Alter von 2,5 Monaten
Die Auswertung ergab, dass die Dendriten von mittelalten Ratten aus der Placebo Gruppe deutlich kürzer und weniger verzweigt waren, als die von jüngeren Tieren.
Sowohl die Dendritenlängen als auch die Verzweigungen der Nervenfasern sind bei den mit Ampakin behandelten Ratten nahezu unverändert geblieben und denen von jungen Ratten somit sehr ähnlich. Darüber hinaus hatten die Nervenzellen der behandelten Tiere signifikant mehr Dornfortsätze als unbehandelte und junge Ratten.
Dornfortsätze sind oft pilzförmige Vorwölbung an der Oberfläche von Nervenzellen. Sie finden sich überwiegend auf Dendriten von Neuronen des Gehirns und dienen dem Empfangen von Signalen anderer Nerven. Neben der bloßen Anzahl war auch die Zellsignalisierung zwischen den Neuronen behandelter Zellen deutlich verbessert. Dieser Umstand lässt auf eine gesteigerte Lernfähigkeit und Gedächtnisleistung bei diesen Individuen rückschließen.
Tatsächlich stellte Studienautor Gary Lynch im Rahmen seiner Versuche fest, dass die mit Ampakin behandelten Ratten neuartige Strategien zur Exploration ihrer Umgebung entwickelt hatten und über ein besseres Gedächtnis verfügten. Vieles deutet somit darauf hin, dass die Effekte des Alterns im Gehirn effektiv rückgängig gemacht werden konnten.
Verhaltenstests konnten die positive Wirkung von Ampakin nochmals bestätigen:
Wenn Ratten in eine neue Umgebung umgesetzt werden, verbringen sie normalerweise viel Zeit damit, diese scheinbar zufällig und unwillkürlich zu erforschen. Erst nach einiger Zeit gehen sie in ein systematisches und berechenbares Muster über. Die Ratten, die zuvor Ampakine bekommen haben, gingen schon am zweiten Tag in ihrer neuen Umgebung zu systematischen Erkundungsmustern über, während die Individuen der Placebo-Gruppe ihre zufällige Erkundung noch weiter fortsetzten.
Lynch kommentiert seine Erkenntnisse folgendermaßen:
“Heutzutage gibt es die Tendenz zu denken, dass das Altern ein unaufhaltsamer Prozess ist. Es wird angenommen, dass es etwas ist, das in den Genen festgelegt ist und es nichts gibt, was wir Menschen dagegen tun können. In unserer Arbeit sind wir zu der Erkenntnis gekommen, dass diese Annahmen möglicherweise falsch sind.”
In Bezug auf die Forschungsarbeit unterstreicht Carol Barnes, eine Neurowissenschaftlerin an der University of Arizona, die Bedeutung der Optimierung kognitiver Funktionen im Laufe eines Lebens. Barnes wäre sehr daran interessiert zu sehen, wie sich die Ampakin-Behandlung im klinischen Einsatz am Menschen behaupten würde.
Allerdings machen sowohl Barnes als auch die Akteure der Studie darauf aufmerksam, dass noch viel weitere Forschungsarbeit notwendig sein wird, bevor die Prozedur tatsächlich an Patienten getestet werden kann.
Text: esanum/ pvd
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