Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie in Martinsried haben eine Methode entwickelt, die es ermöglicht, allein mittels Licht miteinander verbundene Nervenzellen im lebenden Gehirn zu entdecken.
Mit der nun in Nature Communications publizierten "Optobow"-Methode können einzelne Nervenzellen unter dem Mikroskop aktiviert werden; das Aufleuchten benachbarter Zellen zeigt dann den Weg des Informationsflusses. Selbst im Dickicht des Nervensystems werden Form und Verbindungen der Zellen sichtbar. Funktionelle Schaltkreise und die beteiligten Zelltypen können nun im lebenden Gehirn untersucht werden.
Moderne Methoden geben immer detailliertere Einblicke in den Aufbau und die Funktionen des Gehirns. Durch das Mikroskop zeigt sich, wann und wo Nervenzellen bei einer bestimmten Aktion aktiv sind. Ob die aktiven Zellen jedoch untereinander verbunden sind, oder in welcher Reihenfolge sie Informationen austauschen, bleibt dabei meist unsichtbar. Solche Informationen konnten bisher nur teilweise und mit großem Aufwand mit Methoden der Elektrophysiologie oder der Elektronenmikroskopie gewonnen werden.
In der Elektrophysiologie wird die Aktivität benachbarter Zellen mithilfe hauchdünner Nadeln gemessen. Dies ist jedoch in sehr dichtem oder tiefem Hirngewebe kaum möglich und lange Verbindungswege können nur schwierig nachvollzogen werden. Zudem können nur Impulse von wenigen Zellen gleichzeitig gemessen werden. Bei modernen Elektronenmikroskopie-Verfahren (Konnektomik) werden in einem präparierten Gehirn alle Nervenzellen und ihre Verbindungen Schicht für Schicht von einem Rasterelektronenmikroskop erfasst und dann am Computer rekonstruiert. So werden zwar Zellverbindungen sichtbar, die dynamische Informationsweitergabe eines lebenden Gehirns bleibt dabei jedoch verborgen. Beide Ansätze haben somit deutliche Limitierungen. "Wir haben nach einem Weg gesucht, um die Verbindungen und Informationsweitergabe von Nervenzellen im aktiven Gehirn beobachten zu können, ohne das Gehirn zu schädigen, ja, es nicht einmal zu berühren", erklärt Dominique Förster. Mit dieser Motivation entwickelten Förster und seine Kollegen aus der Abteilung von Herwig Baier am Max-Planck-Institut für Neurobiologie die Optobow-Methode.
Mithilfe gentechnischer Verfahren schleusten die Forscher den lichtempfindlichen "ChrimsonR"-Ionenkanal in einzelne Nervenzellen im Gehirn von Zebrafischlarven ein. Die Nervenzellen in der Umgebung dieser ChrimsonR-Zellen brachten die Wissenschaftler dazu, "GCaMP6", einen sogenannten Kalzium-Indikator, zu produzieren. An GCaMP6 gekoppelt war wiederum ein hellfluoreszierendes Protein, mit dem die Forscher die Form der Nervenzelle einschließlich ihrer feinen Verästelungen und Synapsen sichtbar machen konnten. "Das klingt erst einmal kompliziert, und die Entwicklung hat auch einiges an Zeit gekostet – aber das Ergebnis ist beeindruckend", so Förster über die neue Methode. Da Zebrafischlarven und auch ihr Gehirn durchsichtig sind, konnten die Forscher die ChrimsonR-Zellen allein durch das Anstrahlen der Fische mit Licht aktivieren.
Löste die ChrimsonR-Zelle ein Aktionspotenzial in einer Nachbarzelle aus, reagierte dort der Kalzium-Indikator auf den damit verbundenen Ionen-Einstrom und das fluoreszierende Protein ließ die Zelle farblich aus der Masse hervortreten. So konnten die Wissenschaftler live unter dem Mikroskop beobachten, welche Nervenzelltypen wann und wo nach Aktivierung der Ausgangszelle aktiviert wurden.
Wie nützlich die neue Methode ist, konnten die Forscher bereits in ihren ersten Versuchen belegen: Im untersuchten Bereich des Zebrafischgehirns konnten sie zeigen, dass eine Information als Abbild in dem Gehirnbereich bleibt, bevor sie an andere Bereiche weitergeleitet wird. "Ich wüsste nicht, mit welcher anderen lichtmikroskopischen Methode wir diese Verbindung hätten entdecken können", bemerkt Herwig Baier, Leiter der Studie. "Mit Optobow können wir nun erstmals im Gehirn eines lebenden, aktiven Tiers beobachten, welche Nervenzellen untereinander verschaltet sind, wenn zum Beispiel ein Verhaltenskommando im Gehirn generiert wird." Die Methode sollte das Identifizieren der zellulären Komponenten neuronaler Schaltkreise und auch das Verständnis ihrer Funktion deutlich vorantreiben und dadurch Elektrophysiologie und Konnektomik ergänzen. Auch dynamische Veränderungen in den Zellverbindungen, wie zum Beispiel während des Lernens und der Entwicklung, können nun leichter erforscht werden.