Nahrungsmittelallergien mit Darmbakterien besiegen Logo of esanum https://www.esanum.de

Nahrungsmittelallergien mit Darmbakterien besiegen

Ein Forschungsteam griff die Idee wieder auf, dass durch das Fehlen bestimmter Darmbakterien Nahrungsmittelallergien verursacht werden können. Die Studienergebnisse zeigten, dass der Ersatz dieser Darmbakterien entscheidend zur Behandlung von Allergien beitragen könnte.

Immunisierung durch Transplantation von Darmmikroben

Durch das Fehlen bestimmter Darmbakterien können Nahrungsmittelallergien verursacht werden. Aktuelle Studienergebnisse zeigen, dass der Ersatz dieser Darmbakterien entscheidend zur Behandlung von Allergien beitragen könnte.

ForscherInnen vom Boston Children’s Hospital und vom Brigham and Women’s Hospital stellten fest, dass Babys und Kindern mit Nahrungsmittelallergien bestimmte Darmbakterien fehlen. Als das Forschungsteam Mäusen die fehlenden Bakterien verabreichte, wurden die Tiere durch Mikroben vor Allergien geschützt.

Die Interaktionen der Mäusezellen und Bakterien wurde von den ForscherInnen festgehalten. Schlussfolgerungen über den Zusammenhang von Darmbakterien und Lebensmittelallergien wurden bereits in früheren Untersuchungen gezogen, doch die aktuelle Studie analysierte erstmals das Zusammenspiel auf zellularer Ebene.

Dr. Lynn Bry, Mitautorin der Studie, sagt: "Wir konnten kultivierbare Bakterien menschlichen Ursprungs erkennen, die das Immunsystem so umpolen, dass es Toleranz gegenüber Lebensmittelallergien entwickelt." Die Studie weise somit einen neuen Weg auf, Nahrungsmittelallergien durch nützliche Bakterien und eine Veränderung des Immunsystems zu behandeln.

Außerdem könnte diese Methode ermöglichen, nicht nur eine, sondern auf einen Schlag alle Lebensmittelallergien zu behandeln. Dr. Bry merkt an: "Das bedeutet gravierende Veränderungen für unser Vorhaben, Behandlungsmethoden gegen Lebensmittelallergien zu entwickeln."

Transplantation von Stuhlproben in Mäuse

Die ForscherInnen begannen die Studie, indem sie alle paar Monate Stuhlproben von Babys und Kindern sammelten, von denen 56 Lebensmittelallergien aufwiesen und 98 allergiefrei waren. Die Ergebnisse wiesen auf, was bereits frühere Studien belegten: Die Darmbakterien der getesteten Kindergruppen unterschieden sich.

Da diese Ergebnisse die Frage aufwarfen, welche Schlüsse hieraus für Lebensmittelallergien zu ziehen waren, transplantiere das Forschungsteam Proben der Testgruppen in Mäuse, die allergisch auf Eier reagierten. Dabei stellten sie fest, dass die Mäuse, die Darmproben von allergiefreien Kindern enthielten, seltener allergisch auf Eier reagierten als die zweite Testgruppe.

Im Anschluss nutzten die ForscherInnen Computertechnik, um Unterschiede zwischen den Proben der Darmbakterien zu erkennen, und konnten hieraus individuelle Bakterienarten ableiten.

Bei wiederholter Testung der Bakterien an Mäusen entwickelte das Team zwei Mikroben-Gruppen. Diese beinhielten fünf bis sechs Darmbakterien der Gattungen Clostridiales oder Bacteroidetes. Durch die Bakteriengruppen blieben die Mäuse gegen eine Ei-Allergie immun. Die Nutzung anderer Bakterienarten lieferte hingegen keinen Schutz vor der Allergie.

Bakterien veränderten die T-Zellen

Im folgenden Schritt erörterten die ForscherInnen, welche Vorgänge hinter diesen Effekten auf zellularer Ebene abliefen. Sie beobachteten die Immunreaktionen der Menschen und Mäuse. Dabei stellten sie fest, dass die nützlichen Darmbakterien auf zwei Immunwege abzielten und regulatorische T-Zellen ins Immunsystem ausschütteten. Die Bakterien veränderten den Zustand der T-Zellen so, dass keine starken Immunreaktionen auf die Proteine aus Hühnereiern hervorgerufen wurden.

Die WissenschaftlerInnen weisen allerdings darauf hin, dass die Ergebnisse ihrer Studie zwar vielversprechend sind, aber bislang nur für Mäuse gelten. Doch einige der ForscherInnen richten derzeit am Boston Children’s Hospital eine klinische Studie für Erwachsene ein. An diesen soll ein Fekaltransplantat zur Behandlung von Erdnussallergien getestet werden.

Zudem produzieren einige private Firmen verschiedene Bakterien-Komposita für klinische Studien. Mit der derzeitigen Geschwindigkeit bestehe die Möglichkeit, dass neue Medikamente in ungefähr fünf Jahren verfügbar seien.

"Es scheint, als würde die Fähigkeit, den detaillierten Ablauf der Interaktion zwischen Mikroben und menschlichen Zellen zu erkennen, die Möglichkeit eröffnen, einen besseren therapeutischen und diagnostischen Ansatz gegen Krankheiten aufzudecken", merkt Dr. Bry an. "Im Hinblick auf Nahrungsmittelallergien haben wir jetzt vielversprechende Heilmittel, die wir bald auch in der Patientenversorgung einsetzen können."

Quelle:
Microbiota therapy acts via a regulatory T cell MyD88/RORγt pathway to suppress food allergy. In: Nature Medicin (2019). 24. Juni 2019
Azza Abdel-Gadir, Emmanuel Stephen-Victor, Georg K. Gerber, Magali Noval Rivas, Sen Wang, Hani Harb, Leighanne Wang, Ning Li, Elena Crestani, Sara Spielman, William Secor, Heather Biehl, Nicholas Dibendetto, Xiaoxi Dong, Dale T. Umetsu, Lynn Bry, Rima Rachid & Talal A. Chatila
DOI: https://doi.org/10.1038/s41591-019-0461-z