Ärzte schätzen Erkrankungen der Finger- oder Fußnägel häufig falsch ein. In einer Studie in der Fachzeitschrift "Aktuelle Dermatologie“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2018) erwies sich die Erstdiagnose in jedem zweiten Fall nach einer feingeweblichen Untersuchung einer Nagelprobe als nicht korrekt.
Die richtige Diagnose bei Nagelerkrankungen zu stellen, ist nicht einfach, weiß Privatdozentin Dr. Cornelia Müller von der Klinik für Dermatologie der Universitätskliniken des Saarlandes in Homburg. "Nagelerkrankungen besitzen im klinischen Alltag und in der medizinischen Ausbildung eine vergleichsweise geringe Wertigkeit, sodass viele Hausärzte aber auch Dermatologen entsprechende Erkrankungen nicht routiniert befunden und behandeln. Ärzte, die sich in ihrer Diagnose nicht sicher sind, lassen Nagelproben ihrer Patienten daher mitunter im Labor von einem Experten untersuchen. Nicht selten zeigt sich unter dem Mikroskop, dass eine völlig andere Erkrankung vorliegt, als der medizinische Kollege vermutet hatte. Andererseits können zu kleine oder falsch entnommene Proben auch zu einer Fehlerquote in der feingeweblichen Untersuchung führen.
Im Rahmen einer Studie hat die Dermatologin gemeinsam mit Kollegen die Erstdiagnose einer Nagelveränderung oder -erkrankung mit den Befunden der nachfolgenden Gewebeuntersuchung verglichen, die im Zeitraum zwischen Januar 2006 und März 2014 am Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) durchgeführt wurden.
Der Vergleich der 639 Verdachtsdiagnosen mit den Ergebnissen der feingeweblichen Untersuchung ergab: In 346 Fällen, das sind rund 54 Prozent, musste die Diagnose revidiert werden. Besonders häufig irrten die Ärzte beim Pilzbefall des Nagels, von Dermatologen Onychomykose genannt. Sie war von den behandelnden Ärzten bei 62 Prozent der Patienten vermutet worden. Nach der Untersuchung sank der Anteil auf etwa 22 Prozent. Die Experten hingegen diagnostizierten am häufigsten eine Onychodystrophie. Dabei handelt es sich um eine Wachstums- oder Ernährungsstörung des Nagels, die gelegentlich nach Pilzinfektionen auftritt, häufig jedoch andere Ursachen hat. Bei Fußballspielern kann sie nach wiederholten kleinen Verletzungen der Fußnägel auftreten.
In anderen Fällen lagen die Ärzte mit ihrer Vermutung richtig. Die Diagnose von Wachstumsstörungen oder auch ein eingewachsener Nagel, Unguis incarnatus, bereitet auch unerfahrenen Ärzten keine Probleme.
Besondere Vorsicht ist bei ungewöhnlichen Verfärbungen der Nägel geboten. Vor allem wenn die Pigmentierungen unregelmäßig sind und keine Verletzungen vorausgegangen sind. Die Ärzte wissen um die Gefahr und daher muss im Zweifel biopsiert werden: Der Verdacht auf ein Nagelmelanom war daher in 72 Fällen der Grund für eine Abklärung am UKS. In immerhin 13 von 72 Fällen lag tatsächlich ein bösartiger Hauttumor vor.
Ein wertvolles Nebenkriterium zur Erkennung des malignen Nagelmelanoms ist laut PD Dr. Müller auch das Alter der Patienten. Nagelmelanome treten meistens bei Patienten über 60 Jahren auf. Bei jüngeren Patienten sind die Pigmenttumore eher gutartig (Naevi), bei Kindern unter 14 Jahren kommt das akrale Melanom so gut wie nicht vor. Daher kann bei Kindern auch klinisch kontrolliert werden. Eine Garantie gibt es allerdings nicht. In der Studie war der jüngste Patient mit einem Melanom 30 Jahre alt. PD Dr. Müller rät daher auch schon bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Zweifel zur feingeweblichen Untersuchung.
Quelle: Thieme Verlag