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Nachwachsendes Lignin revolutioniert Batterien, auch für Herzschrittmacher

Lithium-Ionen-Akkus sind heutzugage aus verschiedensten Bereichen des Alltags nicht mehr wegzudenken. Prof Dr. Reinhard Renneberg ergründet, wie es zu dieser Entwicklung kam.

Langer Werdegang von Erfindung des Lithium-Ionen-Akkus zu Nobelpreis

Schließlich enthält auch die Hauptkomponente (das Aggregat) eines permanenten (also fest eingepflanzten) Herzschrittmachers eine Batterie, dann den Impulsgeber und die Steuerelektronik. 

Unser Smartphone nachts laden, es tagsüber benutzen, dann wieder laden und weiter benutzen – was für uns alltäglich ist, erforderte viele Jahre intensivster Forschungsarbeit. 

Heute werden fast ausschließlich Lithium-Batterien verwendet. Das sind Feststoff-Batterien ohne flüssige Bestandteile, die somit sicher sind, nicht auslaufen können und nur eine sehr geringe Selbstentladung haben.

Der Lithium-Ionen-Akku sei eine technische Revolution, die unsere Gesellschaft enorm beeinflusst hat, so 2019 das Nobelpreis-Komitee in Stockholm. 
Ausgezeichnet wurden der aus dem ostdeutschen Jena stammende US-Forscher John B.Goodenough, der in Großbritannien geborene M. Stanley Wittingham, der in den USA forscht, und der Japaner Akira Yoshino. 

John Goodenough ist mit 97 Jahren der bisher älteste Nobelpreisträger zum Zeitpunkt einer Nobelpreisverkündung. 

Die drei Wissenschaftler forschten unabhängig voneinander an Lithium-Ionen-Akkus. 

Was macht diese Akkus so besonders? Sie speichern viel Energie auf kleinem Raum, halten lange, sind sicher, lassen sich schnell laden und günstig herstellen. 
Das alles zusammen macht sie zum Akku der Wahl.
Auch gibt es bei ihnen keinen sogenannten Memory-Effekt, eine unangenehme Eigenschaft der älteren Nickel-Cadmium-Akkus: Die büßen nämlich ihre volle Ladefähigkeit ein, wenn der Nutzer sie zu früh wieder auflud, bevor sie völlig leer waren.

Heutzutage sind Hunderte Millionen Lithium-Ionen-Akkus weltweit in Betrieb. Mit steigender Elektromobilität werden es noch sehr viel mehr werden.  

Den Grundstein für die Entwicklung der Lithium-Ionen-Batterie legte Stanley Whittingham bereits in den 70er Jahren. Die erste kommerziell nutzbare Batterie entwickelte Akira Yoshino im Jahr 1985 – vor 36 Jahren also. Die Batterien-Forscher rechneten wohl insgeheim seit 2016 mit einem Nobelpreis für die Entwicklung. Damals feierte man das 25-jährige Jubiläum des ersten Lithium-Ionen-Akkus auf dem Markt. Das Thema war aber möglicherweise für das Nobelpreis-Komitee zu "angewandt". 

Wie Batterien arbeiten

In einer Batterie laufen chemische Reaktionen ab. Das passiert so kontrolliert, dass man die dabei freiwerdende Energie gezielt abgreifen kann.

Lithium ist als leichtestes Metall ideal, um es in Akkus zu nutzen. Man kann nämlich viel Lithium in eine Batterie packen und sie bleibt trotzdem relativ leicht. Außerdem hat Lithium die Eigenschaft, eines seiner Elektronen schnell abgeben zu wollen, was für die Stromerzeugung wichtig ist.

Wegen des Standardpotentials von −3,05 Volt (dem niedrigsten aller chemischen Elemente) und der daraus realisierbaren hohen Zellspannung und der theoretisch hohen spezifischen Kapazität von 3,86 Ah/g ist Lithium ein ideales Material für negative Elektroden elektrochemischer Zellen.

Aber Lithium ist auch eines der reaktivsten Elemente überhaupt. Es reagiert so heftig mit Wasser, Sauerstoff und allen anderen Substanzen, dass es in der Natur gar nicht mehr in seiner ursprünglichen metallischen Form vorkommt. 

Wir kennen es sicher noch  alle  aus dem Chemieunterricht: Wirft man ein Stück Lithium ins Wasser,  zischt es eindrucksvoll  auf der Oberfläche herum. Es entsteht Wasserstoff und der kann sich von selbst entzünden. Man musste also die Reaktivität von Lithium zähmen, und das haben die drei Nobelpreisträger geschafft.

Schlüssel waren die richtigen Materialien für die (positive) Kathode und die (negative) Anode. Stanley Whittingham nutzte als erster ein Kathoden-Material Titansulfid, das aus Atomschichten aufgebaut ist. Lithium kann sich dazwischen einlagern. Dadurch, dass die einzelnen Teilchen voneinander räumlich getrennt sind, werden sie besser kontrollierbar.

John Goodenough dagegen fand später ein noch besseres Kathoden-Material: Lithium-Kobaltoxid mit dem gleichen schichtförmigen Aufbau. 
Damit erhöht sich die in der Batterie gespeicherte Energiedichte. Akira Yoshino wiederum baute im Labor in Japan die erste praktisch gebrauchsfähige Batterie und machte sie sicher im Gebrauch. Vorher bestand die Anode aus Lithiummetall. Yoshino ersetzte das Lithium  durch eine Anode aus Graphit (Graphen) , also aus reinem Kohlenstoff.  Darin lagern sich die Lithiumatome in ionischer Form ein. Durch die Bindung an den Kohlenstoff liegt Lithium nicht mehr in metallischer Form vor.

Beim Entladen des Akkus gibt jedes Lithium-Ion ein Elektron ab. Das  wandert von der Anode an die Kathode, wo es sich einlagert. Beim Laden wandern dann diese Ionen wieder ins Graphit der Anode. 
Dieses Laden und Entladen kann man viele Male machen. Leider finden zu einem geringen Teil auch immer Nebenreaktionen in der Batterie statt. Das ist der Grund, warum der Handy-Akku irgendwann nur noch wenige Stunden hält statt vieler Tage kurz nach dem Kauf. 

Nachdem Lithium-Ionen-Akkus in den 90er Jahren erstmals auf den Markt kamen, hat man in 25 Jahren die Energiedichte immerhin um den Faktor 4 gesteigert. Mittlerweile stoßen jedoch auch sie physikalisch mehr und mehr an ihre Grenzen. 
Man erinnert sich: Als Samsung vor einigen Jahren versuchte, die Energiedichte noch weiter zu erhöhen und die Materialien noch dichter zu packen, fingen einzelne Smartphones Feuer, weil die Akkus überhitzten.

Es gibt noch vieles zu verbessern, neben Leistungsfähigkeit und Sicherheit auch Nachhaltigkeit und Recyclingfähigkeit. Die Akkus enthalten beispielsweise das Metall Kobalt (für Politiker: nicht zu verwechseln mit Kobold). Kobaltwird zum größten Teil in Afrika unter oft sozialunverträglichen Bedingungen abgebaut und mit Kinderarbeit. Moderne Akkus enthalten aber nur noch wenige Prozent Kobalt. Stattdessen sind beispielsweise Nickel, Mangan oder Aluminium der Kathode beigemischt.

Heute arbeiten Forschende an ganz neuen Arten von Batterien aus gut verfügbaren Elementen wie Natrium, Eisen und Schwefel. Solche neuen Batteriearten könnten möglicherweise in 20 Jahren oder mehr aktuell werden - heiße Kandidaten für zukünftige Nobelpreise. Der weltweite Batteriemarkt wird sich in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich verzehnfachen.

Die Ligninode

Noch eine Idee: Heute wird Kohlenstoff auf fossiler Basis in den Anoden von wiederaufladbaren Batterien verwendet. Durch die Umwandlung von aus Holz abgetrenntem Lignin in kohlenstoffbasierte Anoden-Materialien kann das synthetische und nicht erneuerbare Graphitmaterial ersetzt werden. Die finnische Firma Stora Enso ist der Pionier.

Die negative Elektrode, die Anode, besteht außer aus Lithium meist aus leitendem Graphit

"Mit unserer Pilotanlage, die jetzt den Betrieb aufnimmt, betritt Stora Enso eine neue Wertschöpfungskette bei der Lieferung nachhaltigerer Anodenmaterialien für Batterien. Mit der Lignode können wir ein biobasiertes, kostengünstiges und hochleistungsfähiges Material anbieten, das den herkömmlich verwendeten Graphit ersetzt. Um den schnell wachsenden Markt für Anodenmaterialien zu bedienen, sondieren wir jetzt strategische Partnerschaften, um das Scale-up und die Kommerzialisierung in Europa zu beschleunigen", meint Markus Mannström, Executive Vice President des Geschäftsbereichs Biomaterials von Stora Enso.

Die Pilotanlage für biobasierte Kohlenstoffmaterialien befindet sich am Produktionsstandort Sunila von Stora Enso in Finnland, wo seit 2015 Lignin industriell aus nachwachsendem Holz hergestellt wird. Die jährliche Lignin-Produktionskapazität der Bioraffinerie beträgt 50.000 Tonnen, womit Stora Enso der größte Kraft-Lignin-Produzent der Welt ist.

Lignin fällt als Nebenprodukt des Holzaufschlusses in Papier- und Zellstofffabriken weltweit im Millionen-Tonnen-Maßstab an. Elektrolyte auf Holzbasis sind erneuerbar und weder brennbar noch explosiv.