Kliniken fürchten den Ausbruch multiresistenter Keime, weil gängige Antibiotika gegen sie nichts ausrichten können. Eine neue Studie kommt nun zu dem Ergebnis, dass viele Krankenhauspatienten bereits von zu Hause multiresistente Keime mit in die Kliniken bringen. Mindestens 9,5 Prozent seien bei ihrer Ankunft mit den Bakterien besiedelt, gegen die gängige Antibiotika nichts machen können, sagt der Forscher Axel Hamprecht von der Uniklinik Köln. Diese Größenordnung habe man so nicht erwartet.
Für die Studie wurden mehr als 4.000 Erwachsene bei ihrer Klinikaufnahme mit Stuhlproben und Rektalabstrichen untersucht. Besonderes Augenmerk sei dabei auf 3GCREB-Keime gelegt worden – multiresistente Darmbakterien. Im Ergebnis hätten von 4.376 Erwachsenen 416 diese Keime getragen, also fast jeder zehnte. An der Studie hatten sich sechs deutsche Universitätskliniken beteiligt.
Das Gros der Keime, die in Krankenhäusern für Infektionen sorgen, sind normalerweise harmlose Bakterien, mit denen viele Menschen besiedelt sind. Bleiben sie, wo sie hingehören, gibt es keine Probleme. Geraten sie aber in Blutbahn, Blase oder Lunge, können sie zur Gefahr werden. Sehr problematisch sind dabei die multiresistenten Keime. Gängige Antibiotika schlagen bei ihnen nicht mehr an. Die Therapie wird dadurch schwieriger.
Die in der Studie untersuchten Bakterien sind dabei nur eine Gruppe unter mehreren. Wolle man das Gesamtphänomen der von Patienten in Kliniken eingeschleppten Bakterien beschreiben, kommen andere Keime Hamprecht zufolge auf die errechneten 9,5 Prozent noch oben drauf – etwa der bekannte MRSA-Erreger. “Die werden aber nicht diese Menge ausmachen”, sagte er.
Angesichts der Ergebnisse sprechen sich die Studienautoren unter anderem für bessere Hygienemaßnahmen in den Kliniken und für weniger nicht gerechtfertigten Antibiotika-Einsatz aus. Resistente Erreger entstehen vermutlich unter anderem, weil Antibiotika in der Tiermast, aber auch bei Menschen zu häufig und nicht zielgenau verabreicht werden.
Die Strategie, Betroffene zu isolieren, funktioniere hingegen nicht mehr, sagte Hamprecht. Man könne nicht zehn Prozent der Patienten in Isolation stecken. Im Fall der untersuchten Darmbakterien könne man zudem eigentlich nur abwarten. “Wir haben da keine Möglichkeit, den Patienten etwas zu geben, damit sie sie wieder los werden.” Das unterscheide sie etwa von MRSA.
Jährlich gibt es etwa 600.000 so genannte nosokomiale Infektionen, von denen circa 15.000 allein in Deutschland zum Tode führen. Angesichts dieser Zahlen setzen Experten wie Professor Axel Kramer, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Greifswald, darauf, Patienten zu einer regelmäßigen Desinfektion der Hände zu bewegen – und zwar immer bereits dann, wenn sie ihr Krankenhauszimmer verlassen. Regelmäßige Händedesinfektion nach Toilettenbesuch sei ebenso elementar wie nach einem Gang durchs Krankenhaus. Die aktuell verwendeten Desinfektionsmittel seien deutlich besser für die Hände verträglich als eine regelmäßige Wäsche mit Seife, erklärte Kramer in einem Interview auf dem Hauptstadtkongress in Berlin gegenüber esanum.
Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) sieht Defizite in der infektiologischen Versorgung und Ausbildung in Deutschland. Noch immer seien in vielen deutschen Krankenhäusern weder Infektiologen beschäftigt noch infektiologische Konsiliardienste etabliert. Das müsse sich dringend ändern, so die DGI. “Die Infektiologie muss in allen Abschnitten des Medizinstudiums dringend erweitert und gestärkt werden. Und wir benötigen eine breitere und intensivere Weiterbildung von Ärzten mit infektiologischem Schwerpunkt”, betont Professor Dr. med. Gerd Fätkenheuer, Vorsitzender der DGI und Leiter der Infektiologie an der Klinik I für Innere Medizin am Universitätsklinikum Köln. Wenn die Eindämmung von Resistenzen und schweren Infektionen gelingen soll, müsse die regelhafte Einbindung von Infektiologen ein selbstverständlicher Bestandteil medizinischer Versorgung werden.
Vor wenigen Wochen ging eine Meldung durch die Fachpresse, dass ein Erreger sich sogar resistent gegen alle bisher bekannten Antibiotika gezeigt habe. Damit würde Ärzten jede Möglichkeit fehlen, gegen die Erreger mit Medikamenten vorzugehen.