Die Adventszeit hat begonnen und es heißt wieder: „Nun singet und seid froh“. Das Motto könnte für die pulmologische Praxis ganzjährig gelten. Denn das Singen hat positive Effekte auf das Wohlbefinden und die Lungenfunktion von COPD-Patienten – unabhängig von Glaubensfragen und nicht nur in der Adventszeit.
„Mehr Anwendung“ gefordert
Das gilt für den individuellen Gesangsunterricht und im Besonderen für den gemeinschaftlichen Chorgesang. Darauf hat der pneumologische Bundesverband (BdP) schon vor Jahren in einer Pressemitteilung hingewiesen. Der Anlass war damals eine randomisierte kontrollierte Studie1 aus London mit 24 COPD-Patienten, die jede Woche entweder zweimal an einer Gesangsstunde in der Gruppe teilnahmen oder einmal an einem Filmabend.
Bezüglich des sozialen Wohlbefindens profitierten beide Studiengruppen, körperlich stieg die Zufriedenheit aber nur bei den Sängern. Im Gesangsunterricht erlernten sie einen bewussteren Umgang mit ihrem Atem und eine verbesserte Atemtechnik. Dadurch konnten sie ihre Fitness und das Gefühl einer kontrollierten Atmung steigern.
Kommentar des BdP-Vorstandsvorsitzenden Dr. Andreas Hellmann, der selbst als Lungenfacharzt praktiziert: „Möglichkeiten zur Steigerung der Lebensqualität, die zusätzlich zur pharmakologischen und physiotherapeutischen Therapie zur Verfügung stehen, sollten insbesondere bei der Versorgung von Patienten mit chronischen Erkrankungen mehr Anwendung finden.“
Wachsende Evidenz für die therapeutischen (Chor-) Gesangseffekte
Die Evidenz für die therapeutischen Effekte des Singens bei COPD-Patienten nimmt zu. Eine Langzeit-Untersuchung2 der englischen Canterbury Christ Church University aus dem Jahr 2013 hat neben qualitativen auch quantitative Verbesserungen der Symptomatik belegt. „Die Lungenfunktion hat sich drastisch verbessert – meist nach etwa fünf Monaten, wenn sich die Menschen ans Singen gewöhnt und ihre Atemgewohnheiten verändert haben“, äußerte sich dazu einer der Autoren gegenüber der BBC.
An der Studie nahmen immerhin fast 100 COPD-Kranke teil, die ein Jahr lang jede Woche eine Gesangsstunde besuchten. Das Ergebnis: Das Atemvolumen nahm zu und das psychische Wohlbefinden ebenfalls. Neben einer Steigerung der im St. Georges Respiratory Questionnaire (SGRQ) erfassten gesundheitsbezogenen Lebensqualität um 3,3 Punkte fanden sich auch verbesserte Lungenfunktionswerte. Die singenden Patienten erwiesen sich als körperlich leistungsfähiger und psychisch stabiler.
Lieber im Patienten- oder im Kirchenchor?
Wussten Sie schon, dass es die Initiative „Singende Krankenhäuser e.V.“ gibt? Wir nicht – bis zur Recherche im Zuge dieses Blog-Beitrags. Gegründet wurde sie 2009, um gesundheitsfördernde Singangebote in Gesundheitseinrichtungen zu verbreiten. Auf der Website des Vereins finden Sie u.a. Hinweise auf singende Krankenhäuser, Altersheime und andere Institutionen.
Was das Verständnis für die Erkrankung und den Austausch mit anderen Betroffenen angeht, hat ein Patienten-Chor natürlich gewisse Vorteile. Beschränkt auf ein solches Angebot sind potenziell interessierte Patienten aber keinesfalls. Im Prinzip eignet sich jeder Gemeinde- oder Kirchenchor dafür, der professionell angeleitet wird. Denn in der Regel wird hier keine besondere Erfahrung im Singen vorausgesetzt. Vielmehr stehen die Freude am Singen und das gemeinschaftliche Erlebnis im Vordergrund. Einen Versuch ist es allemal wert!
Was das Singen alles verbessert
Wie lassen sich die positiven Effekte des professionell angeleiteten Chorgesangs (nicht nur) für COPD-Patienten erklären?
Für Viele eine neue Erfahrung
Den aktuellen Anstoß für diesen Beitrag gab übrigens, neben dem Beginn der Adventszeit, eine kürzlich publizierte Studie aus Neuseeland. Sie lief über ein ganzes Jahr und bestätigt die positiven Effekte des Singens auf den Gesundheitszustand, die Atmung und das Wohlbefinden bei COPD-Patienten. Die Teilnahmebereitschaft in der Gesangsgruppe (n = 21) war über die gesamte Untersuchungsdauer hinweg unvermindert hoch. Die singenden Patienten treffen sich auch ein halbes Jahr nach Studienende weiterhin.
Bemerkenswert und möglicherweise motivierend im Hinblick auf die eigene Patienten-Klientel: Für die meisten von ihnen war das Singen eine neue – und sehr positive – Erfahrung.
Referenzen: