Die molekulare Allergiediagnostik ist nicht nur für Wissenschaft und Forschung interessant. Auch ganz praktische Fragen im klinischen Alltag lassen sich bei rationalem Einsatz damit heute schon beantworten.
Prof. Dr. Jörg Kleine-Tebbe vom Allergie- und Asthma-Zentrum Westend in Berlin stellte dar, in welchen Situationen die molekulare Allergiediagnostik konkret weiterhelfen kann.
Eine Möglichkeit ist die Unterscheidung zwischen primärer Sensibilisierung und Kreuzreaktion, die vor allem bei Entscheidungen für eine spezifische Immuntherapie (SIT) von Bedeutung ist. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Patient hat allergisch auf einen Insektenstich reagiert – weiß aber nicht, ob ihn eine Biene oder Wespe gestochen hat. Beide Tests fallen positiv aus. In diesem Fall kann die Bestimmung der bekannten Markerallergene weiterhelfen. Reagiert der Patient positiv auf Api m1, Api m3, Api m 4 oder Api m 10 kann man von einer primären Bienengiftallergie ausgehen – Ves v 1 und Ves v 5 sind Marker für eine Wespengiftallergie. Api m 2, 5 und 12 sowie Ves v 2, 3, und 6 sind dagegen Indikatoren für eine Kreuzreaktivität und können vernachlässigt werden. Durch diese Diagnostik kann man dem Patienten unter Umständen eine doppelte Immuntherapie ersparen.
Ein weiteres Beispiel sind Patienten, die im Allergietest positiv auf praktisch alle Pollen reagieren. Dies muss keine echte Polysensibilisierung sein, da bestimmte Panallergen wie Bet v2, Bet v 4, phl p12 und Phl p 7 in nahezu allen Pollen vorkommen. Will man wissen, welche Sensibilisierung im Vordergrund steht, helfen auch hier die Marker-Allergene weiter: Bet v 1 für Frühblüher wie Birke, Art v 1 für Kräuter wie Beifuß und phl p 1 für Gräser wie Lieschgras. Auch für Esche (Ole e 1) und Ambrosius (Amb a 1) gibt es entsprechende Markerallergene.
Auch ein weiteres Problem lässt sich unter Umständen mit der molekularen Diagnostik lösen. Ein Patient reagiert z.B. eindeutig auf Bienengift – der Erfolg der spezifischen Immuntherapie bleibt aber aus. Dies kann daran liegen, dass die Patienten auf ein eher seltenes Marker-Allergen im Bienengift reagieren, dass in den gängigen Extrakten nicht in ausreichender Konzentration vorliegt. Hier kann die molekulare Diagnostik dabei helfen, einen für den Patienten geeigneten Extrakt auszuwählen.
Eine weitere Anwendungsmöglichkeit ist die Einschätzung des Risikos für schwere anaphylaktische Reaktionen, wie der Dermatologe am Beispiel der Erdnussallergie verdeutlichte. Patienten, die nur auf labile Proteine wie das Profilin Ara a 5 reagieren, haben gute Chancen, dass es bei einem harmlosen oralen Allergiesyndrom bleibt. Risikomoleküle sind dagegen die stabilen und reichlich vorhandenen Speicherproteine Ara h 1, Ara h 3 und vor allem das "Killerallergen" Ara h 2/6. Hier drohen in jedem Fall schwerste anaphylaktische Reaktionen. Ähnliches lässt sich auch für Haselnuss-, Walnuss- und Sojaallergene zeigen – immer sind es die Speicherproteine, die dem Menschen gefährlich werden.
Wie für die Bestimmung von spezifischem IgE gilt auch für die molekulare Diagnostik: Ein positiver Test macht noch keine Allergie. Auch hier ist der Arzt gefordert, die Relevanz der allergischen Sensibilisierungen und Kreuzreaktionen anhand der Anamnese und ggf. Provokationstests zu ermitteln, betonte der Allergologe.
Quelle: 49. DDG-Tagung,“Track Allergologie: Allergien und spezifische Immuntherapie“, 28. 4. 2017, Berlin