Gibt es auch mal gute Nachrichten zum Krebs? Jawohl! Beim Magenkarzinom nimmt die Anzahl an Neuerkrankungen pro Jahr in allen westlichen Ländern seit Jahren kontinuierlich ab. Was haben moderne Kühlschränke damit zu tun?
Zur Erinnerung: Hauptrisikofaktoren für die Entstehung eines Magenkarzinoms sind eine chronische Infektion mit Helicobacter pylori und/oder eine nitrosaminreiche Ernährung. "Es ist der Stress, der verursacht die Magengeschwüre!", habe ich selbst noch als Kind gehört. Und mein eigener Papa, ein Kettenraucher und leidenschaftlicher Mensch, machte "Rollkuren" gegen seine unangenehmen Magengeschwüre. 2012 traf ich dann den Medizin-Nobelpreisträger von 2005 Barry Marshall persönlich in Hongkong an unserer Schwester-Uni. Ihm wurde dort der hochverdiente Ehrendoktor-Titel verliehen.
Anfang der 1980er-Jahre hatten die beiden australischen Forscher Barry Marshall (geb.1951) und Robin Warren (geb. 1937) die revolutionäre Hypothese aufgestellt, dass nicht etwa Stress oder falsche Ernährung die wichtigste Ursache für die meisten Gastritiden ist, sondern ein (vorher unbekanntes) Bakterium namens Helicobacter pylori. Aber kaum jemand nahm diese These ernst… Marshall hatte die Idee, die er unter Applaus für den Mut in Hongkong erzählte: Ein Selbstversuch!
Also schluckte er heroisch infektiöse Helicobacter-Kulturen! Durch diese schmerzhaften Eigenversuche gelang es dann eindeutig zu belegen, dass Helicobacter und niemand sonst der "Bösewicht" ist. Später fand man, dass die säureresistenten Keime neben Gastritis etwa 80 Prozent aller Ulcera ventriculi und mehr als 90 Prozent aller Ulcera duodeni auslösen.
Vor der Entdeckung der Helicobacter-Bakterien wurden normalerweise Magenbeschwerden behandelt, indem die Säureproduktion im Magen unterdrückt wurde. Obwohl diese Therapie in vielen Fällen die Probleme beseitigte, erlitt ein hoher Anteil der Patienten einen Rückfall – ein Phänomen, das man sich damals nicht erklären konnte. Bereits am Anfang der 80er-Jahre stieß Robin Warren bei seiner Arbeit jedoch auf eine mögliche Erklärung: Er entdeckte in etwa der Hälfte aller Biopsien der Magenschleimhaut, die er untersuchte, kleine, gekrümmte Bakterien, die besonders den unteren Bereich des Magens besiedelten. Überall dort, wo die Erreger anzutreffen waren, gab es auch Anzeichen einer Entzündung – für Warren ein deutlicher Hinweis: diese Keime waren an der Entstehung dieser Entzündungen beteiligt!
Zusammen mit Marshall gelang es Warren 1982 schließlich, die Bakterien in seinem Labor am australischen Royal Perth Hospital zu kultivieren. Die Fachleute waren allerdings weltweit nicht überzeugt: Ein Bakterium könne niemals in der unwirtlichen Umgebung des Magens bei extrem niedrigem pH-Wert überleben, und schon gar nicht sich vermehren. Daraufhin schluckte Marshall im später berühmten Selbstversuch eine Bakterien-Reinkultur und entwickelte innerhalb weniger Tage eine akute Gastritis, die tatsächlich auf die Besiedelung der Magenschleimhaut durch Helicobacter zurückzuführen war.
Barry Marshall in Hongkong © Chinese University HK
Barry Marshall und Robin Warren bei der Forschung, 1982 © B. Marshall
Die Strategie des Erregers: ein spezielles Enzym von Helicobacter produziert in der sauren Umgebung der Magenschleimhaut basischen Ammoniak und neutralisiert damit die Magensäure. Das Immunsystem setzt daraufhin entzündungsfördernde Substanzen frei. Diese lösen eine Gastritis aus. Als Reaktion auf die chronische Entzündung im unteren Bereich des Magens produziert der obere Teil des Magens vermehrt Säure, was im empfindlichen Duodenum die Entwicklung von Ulcera begünstigt.
Noch heute sind allerdings viele Fragen offen: Zwar ist laut Wikipedia etwa die Hälfte der Weltbevölkerung mit Helicobacter pylori infiziert, aber nur 10 bis 15 Prozent der Infizierten entwickeln jedoch tatsächlich Symptome. Entscheidend scheint zu sein, welcher Bakterienstamm sich im Magen einnistet. Ein anderer ist die genetische Veranlagung des Infizierten. Wahrscheinlich infiziert man sich bereits durch frühkindliche Kontakte zur Mutter oder zu anderen infizierten Kindern.
Dank der genialen Entdeckung von Warren und Marshall können heute Helicobacter-Infektionen vor allem mithilfe von Antikörper-Tests, durch die histologische Identifizierung der Bakterien in Biopsien oder durch einen Atemtest zweifelsfrei nachgewiesen werden. Die Kombinationstherapie (Tripel-Therapie) aus zwei Antibiotika und einem Protonenpumpen-Hemmer (wie Omeprazol, Esomeprazol, Pantoprazol, Lansoprazol und Rabeprazol) hat dazu geführt, dass Gastritis und Magengeschwüre keine chronischen Krankheiten mit einem erhöhten Krebsrisiko mehr sind. Sie können durch kurze Behandlung geheilt werden.
Die zweite gute Nachricht: Die Nutzung eines Kühlschranks korreliert mit einem niedrigen Risiko für Magenkrebs. Warum? Frische Lebensmittel sind dadurch ständig verfügbar geworden, und weniger gesunde Konservierungsmethoden wie Pökeln oder Räuchern wurden verdrängt.
Der "Domelre", der erste amerikanische elektrische Kühlschrank, entwickelt vom US-Amerikaner Fred W Wolf (1879-1954) © Archiv Bernt Karger-Decker
© Archiv Bernt Karger-Decker
© Archiv Bernt Karger-Decker
Beim Pökeln werden Fisch, Fleisch- und Wurstwaren mit Kochsalz und mit Natrium- oder Kaliumsalzen der Salpetersäure (Natrium-oder Kaliumnitrat) oder der salpetrigen Säure (Natrium-oder Kaliumnitrit) behandelt, den sogenannten Pökelstoffen. Das Pökeln schützt hilft, Fisch, Fleisch und Wurst haltbar und hitzebeständig zu machen, die rote Fleischfarbe zu behalten und zu machen und ihnen ein charakteristisches Aroma zu geben.Pökeln ist deshalb weltweit mit weiteren konservierenden Maßnahmen wie Trocknen, Räuchern und Erhitzen ein Grundverfahren für haltbare Lebensmittel. Die "Umrötung", das Pökelaroma und die Hemmung des Bakterienwachstums werden dabei ausschließlich durch Nitrite (NO2-) bewirkt. Diese entstehen aus den eingesetzten Nitraten (NO3-), die durch bestimmte Mikroorganismen bei langer Lagerzeit enzymatisch zu Nitriten reduziert werden.
Gepökeltes Fleisch ist also wegen seines hohen Salzgehaltes gesundheitsgefährdend. In großen Mengen verzehrt können Speck, geräucherter Schinken, Wurstwaren krebserregend wirken. Werden die zum Pökeln verwendeten Nitritsalze erhitzt, können sich nämlich Nitrosamine bilden. Diese haben sich im Tierversuch als krebserzeugend erwiesen. Und nun kennen Sie zur Abwechslung mal den guten Einfluß der Technik auf unsere Gesundheit…