Mehr als 2000 Patienten erhielten im Universitätsklinikum eine neue Chance. Ein OP-Saal im Klinikum der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Monoton pulsieren Geräte, mit leisen Kommandos verlangt der operierende Arzt nach Instrumenten. Unter grellem Licht schimmert Haut zwischen grünen Tüchern. Ein Dutzend Mediziner, Schwestern und Pfleger gehören zum Team, das einer Patientin eine Niere entnimmt. Im OP-Saal nebenan wird die Patientin vorbereitet, der das Organ eingepflanzt werden soll.
Das Nierentransplantationszentrum hat sich auf Lebendspenden spezialisiert - einer der Gründe, warum die Zahl der Transplantationen nicht wie anderswo abstürzte. Um die 50 Organe sind es jedes Jahr, sagt Klinikdirektor Paolo Fornara. "In den 1960-ern plante man an verschiedenen Zentren der Welt, Nieren zu transplantieren. Eine der ersten Transplantationen weltweit fand hier 1966 unter Heinz Rockstroh statt. Es war die erste in der DDR."
Weil das Organ abgestoßen wurde, taucht die Operation in den Annalen der Medizingeschichte nicht auf. Dieser Ruhm wurde der ersten erfolgreichen Nierentransplantation 1967 an der Berliner Charité zuteil.
"Viele Etappen der Transplantationsgeschichte hat Halle mitgestaltet", berichtet Fornara und betont, nur einer in einer langen Reihe zu sein. Und dass viele Akteure an einer Transplantation mitwirkten. In den 1980-er Jahren wurden neue Medikamente entwickelt zur Unterdrückung der Immunabwehr. Damit sank die Gefahr, dass ein fremdes Organ abgestoßen wird. Heute können Nieren selbst Empfängern mit einer anderen Blutgruppe eingesetzt werden. "Das war ein Dogma. Für alte Transplanteure wie mich ist es bis heute faszinierend."
Heute werden in Halle Lebendspendern Organe minimalinvasiv entnommen und Empfängern mit dem Roboter eingesetzt. "Man muss sich das vorstellen: Die gesamte Lebendspende wird durchgeführt, ohne zu schneiden!", unterstreicht Paolo Fornara. "Das ist revolutionär. Diese Neuerung haben wir mitgestaltet." Der Einsatz des Roboters ist für ihn der größte Meilenstein. Nur sieben Zentren in Europa, einschließlich der Türkei, transplantieren so.
In Halle bekamen mehr als 2000 Patienten ein neues Organ. Es könnten mehr sein, doch bei Organspenden hinkt Deutschland anderen Ländern weit hinterher. 2017 erreichte das Land ein 20-Jahres-Tief. Darauf angesprochen, kann Klinikchef Fornara sein italienisches Temperament kaum unterdrücken. "Es ärgert mich und deprimiert mich extrem", schimpft er. "Es ist absurd, dass in einem Land, das Medizin auf höchstem Niveau betreibt, Menschen sterben, weil Organe fehlen."
In allen anderen Ländern Europas werden im Verhältnis zur Einwohnerzahl deutlich mehr Organe transplantiert als in Deutschland. So warteten laut der Deutschen Stiftung Organtransplantationen 2016 7598 Menschen auf eine Niere. Auf Platz zwei folgt Ungarn mit 749 Patienten. Während ein Grieche ein bis zwei Jahre auf ein Spenderorgan wartet, sind es in Deutschland sieben bis acht.
"Organspende hat hierzulande nicht die Anerkennung, die sie verdient", findet Paolo Fornara. Durch Skandale wie das Manipulieren der Warteliste ist die Spendenbereitschaft weiter gesunken. "Für diese Fehler werden nicht die Schuldigen bestraft, sondern die Patienten."