Nervenzellen oder Neurone aus Stammzellen zu generieren, ist eine Methode, die noch in den Kinderschuhen steckt. Einen vielversprechenden Ansatz, wie sich Stammzellen in Nervenzellen differenzieren lassen, haben jetzt Wissenschaftler der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) entdeckt.
Sie sind sogar in der Lage, den Reifungsprozess zu beschleunigen. Dazu verwenden sie ein zu 90 Prozent aus Wasser bestehendes Hydrogel, das als Gerüst für künstliches Hirngewebe dient und die Entwicklung von Nervenzellen begünstigt. In einem zukünftigen Schritt wollen die Wissenschaftler herausfinden, wie sich dieses Biomaterial auf Hydrogelbasis in zerstörte Hirnregionen injizieren und dort neue Nervenzellen entstehen lässt. Von den neuen Erkenntnissen könnten langfristig von einem Schlaganfall Betroffene oder Menschen mit einer neurodegenerativen Erkrankung profitieren. Die Ergebnisse wurden in der Zeitschrift Stem Cell Reports veröffentlicht.
"Für unsere Studien haben wir ein neuartiges Biomaterial verwendet. Seine Struktur und Härte lässt sich so modifizieren, dass es ähnliche Eigenschaften wie das menschliche Gehirn aufweist. Es hat dieselbe Steifigkeit wie Hirngewebe und es verfügt über spezielle Anhaftungsmoleküle, die die Entwicklung von Nervenzellen beschleunigen. Ideale Voraussetzungen also für die Neurogenese", so Dr. Marcelo Salierno vom Institut für Physiologische Chemie der Universitätsmedizin Mainz, der die Studie leitete.
Das Hydrogel beinhaltet neben im Gehirn natürlicherweise vorkommenden Proteinen das synthetische Anhaftungsmolekül IKVAV. Dieses Anhaftungsmolekül bewirkt, dass aus tierischen Stammzellen generierte Nervenzellen im Hydrogel mit seiner gehirnartigen Struktur oder Matrix anhaften. Das konnte Salierno in seinen Studien zeigen. "Beide Faktoren in Kombination, die neuronale Oberflächenanhaftung und die gehirnartige Steifigkeit des Materials, ermöglichen es, die Reifung von Stammzellen in Nervenzellen zu kontrollieren", so Salierno.
Ihre Versuchsreihe führten die Wissenschaftler zunächst in vitro durch. Dabei konnten sie beobachten, wie das neue Biomaterial mit menschlichen Zellen interagiert und wie sich Stammzellen in Nervenzellen differenzieren lassen. "Als nächster Schritt wäre denkbar, das Hydrogel so zu modifizieren, dass es sich in geschädigte Hirnregionen injizieren lässt", erklärt Salierno. "Es liegt noch eine gehörige Wegstrecke vor uns, doch am Ende könnten Schlaganfallpatienten oder von einer neurodegenerativen Erkrankung betroffene Menschen von unserer Entdeckung profitieren."