Wie war das nochmal mit der WHI-Studie? Eine DGE-Pressekonferenz widmete sich anlässlich des 2. Deutschen Hormontages den Themen Hormontherapie, Umwelthormone, Transsexualität und "Klug entscheiden".
Was haben Osteoporose, Diabetes mellitus und Schilddrüsenerkrankungen gemeinsam? Sie sind weit verbreitet und sie haben etwas mit hormonellen Störungen zu tun. Das gilt auch für Wechseljahresbeschwerden. Im Durchschnitt setzt die Menopause um das 50. Lebensjahr herum ein. Bis zum Ende des 6. Lebensjahrzehnts haben nahezu alle Frauen das Klimakterium hinter sich. Für jeweils etwa ein Drittel von ihnen geht diese Hormonumstellung ohne, mit milden bzw. mit starken Beschwerden einher.
Hitzewallungen, Schweißausbrüche und Schlafstörungen zählen zu den bekanntesten Symptomen. Aber auch wiederkehrende Harnwegsinfekte und Miktionsbeschwerden, Muskel- und Gelenkschmerzen sowie eine insgesamt nachlassende Leistungsfähigkeit bis hin zu Depressionen können Alltag und Lebensqualität der Betroffenen stark einschränken. Häufig bekommen die Patientinnen dann Antibiotika, Rheumamittel und Psychopharmaka verordnet, aber keine adäquate Hormontherapie.
Auf diesen Missstand wies die Dr. Cornelia Jaursch-Hancke (DKD HELIOS Klinik Wiesbaden) kürzlich bei einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) hin. "Anstatt die Ursache, also den Östrogenmangel, auszugleichen, bleibt die Behandlung auf der Symptomebene", so die Endokrinologin. Die Beschwerden ärztlicherseits als "ein bisschen Hitzewallungen" abzutun, hält sie für unangebracht. Das gilt allerdings auch für die Furcht vieler Frauen (und mancher Ärzte) vor einer Hormonbehandlung und deren generelle Ablehnung. Sie ist ebenso unberechtigt wie eine dauerhafte „Hormonersatztherapie“ (HRT) nach dem Gießkannenprinzip.
Die wurde bis Anfang des Jahrtausends propagiert, in der Hoffnung, durch die Östrogen-Einnahme einen schützenden Effekt vor Osteoporose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Alter zu erzielen. Mit einer Studie der Women's Health Initiative (WHI) sollte dieser Ansatz untersucht werden. Erfüllt hat sich diese Hoffnung bisher noch nicht. Stattdessen wurde die berühmt-berüchtigte Studie 2002 nach 5 Jahren vorzeitig abgebrochen. Grund war eine erhöhte Rate an Brustkrebs, Thrombosen, Schlaganfall und Herzinfarkten im HRT-Studienarm. Zwar wurden das Design und die Ergebnisauswertung der Studie frühzeitig kritisiert. Nach der Flut an Medienberichten, die sich auf das Thema stürzten, blieb allerdings als Botschaft hängen: "Die Hormontherapie in den Wechseljahren ist gefährlich".
Die Fachgesellschaften änderten ihre Empfehlungen zu diesem umstrittenen Thema und die Hormon-Verordnung ging um 80% zurück. "Dafür schnellte der Verbrauch von Antidepressiva, Schlafmitteln sowie einer Fülle nicht zugelassener alternativer Substanzen in die Höhe. Millionen von Frauen wurde eine sinnvolle und höchst effektive Behandlung von menopausalen Beschwerden vorenthalten", so Jaursch-Hancke.
Die DGE mahnt nun eine Trendwende in der menopausalen Therapie zugunsten der Hormonsubstitution an. Im vergangenen Jahr bedauerten die Autoren der WHI-Studie im New England Journal of Medicine1 die Fehlinterpretation ihrer Studiendaten durch Medien, aber auch Ärzte. Vor wenigen Tagen erschien zudem im amerikanischen Ärzteblatt JAMA eine Publikation2 zur Nachbeobachtung der WHI-Studienteilnehmerinnen nach 18 Jahren. Ergebnis: Die 5 bis 7 Jahre währende Hormonbehandlung ist nicht mit einer langfristig erhöhten Mortalität assoziiert.
Fazit für die Praxis: Die Hormontherapie ist nur bei relevanten Wechseljahresbeschwerden angezeigt, dann aber eine sehr wichtige Maßnahme. Sie ist zeitlich limitiert anzuwenden und sollte immer wieder kritisch überprüft werden.
Die Pressekonferenz der DGE wurde anlässlich des 2. Deutschen Hormontages am 16.09.2017 abgehalten und adressierte noch weitere endokrinologische Fokusthemen. Die praxisrelevanten Botschaften werden im Folgenden kurz zusammengefasst.
Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) hat nach US-amerikanischem Vorbild die Initiative "Klug entscheiden" ins Leben gerufen. Jeweils 5 evidenzbasierte Negativ- bzw. Positiv-Empfehlungen sollen dabei helfen, einer Über- und Unterversorgung in der ärztlichen Praxis entgegenzuwirken. In der Pressekonferenz wies Prof. Joachim Spranger (Charité – Universitätsmedizin Berlin) auf 5 ausgewählte DGE-Empfehlungen3 hin:
Positiv-Empfehlungen:
Negativ-Empfehlungen:
Der Schlussappell des DGE-Präsidenten lautete: "Wenn Hormone betroffen sind, muss man schauen, wann der Hormonspezialist einbezogen werden sollte."
Quelle: Pressekonferenz anlässlich des 2. Deutschen Hormontages am 16. September 2017 der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Berlin, 13.09.2017.
Referenzen: 1. Manson JE, Kaunitz AM. Menopause Management – Getting Clinical Care Back on Track. N Engl J Med 2016;374:803-6.
2. Manson JE et al. Menopausal Hormone Therapy and Long-term All-Cause and Cause-Specific Mortality. The Women’s Health Initiative Randomized Trials. JAMA 2017;31(10):927-38.
3. Feldkamp J. Klug entscheiden: . . . in der Endokrinologie. Dtsch Arztebl 2016;113(17):A821/B-696/C-687.