Immer mehr Menschen suchen Hilfe bei der Heidelberger Gewaltambulanz – der einzigen Gewaltambulanz in Baden-Württemberg. Die Fallzahlen seien in den vergangenen Jahren stetig gestiegen, sagt die Ärztliche Direktorin am Institut für Rechtsmedizin und Verkehrsmedizin am Uniklinikum Heidelberg, Kathrin Yen. “Während wir 2013 noch 228 Fälle bearbeiteten, haben wir schon im ersten Halbjahr 2016 etwa 200 Fälle zu verzeichnen.” Yen gründete die Gewaltambulanz 2013.
Zu den Aufgaben der 24 Stunden erreichbaren Einrichtung gehört die Spurensuche am menschlichen Körper. “Ob es um Gewalt in der Familie, sexuellen Missbrauch oder versuchte Tötungsdelikte geht – wir dokumentieren Verletzungen und sonstige Spuren so, dass sie vor Gericht Bestand haben”, erklärt Yen. Mögliche Opfer werden etwa von Kliniken oder Behörden an die Ambulanz überwiesen. Zunehmend kommen Betroffene Yen zufolge auch auf Eigeninitiative.
Im Südwesten ist solch eine Einrichtung bisher einzigartig. Die Spuren werden kostenlos gesichert. Im Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Landesregierung heißt es, die Beweissicherung in der Heidelberger Gewaltambulanz habe sich bewährt. “Deshalb wollen wir die bestehende Ambulanz absichern und das Angebot bedarfsgerecht weiter ausbauen.” Nach Angaben der Landesregierung wurde sie 2015 und 2016 mit jährlich 150.000 Euro vom Land unterstützt.
Auch mutmaßliche Täter können sich dort untersuchen lassen, etwa um unbegründete Tatvorwürfe auszuschließen. Allerdings sei es entscheidend, Spuren so schnell wie möglich sichern zu lassen, sagt Yen. Manche Substanzen im Blut – etwa Inhaltsstoffe sogenannter K.o.-Tropfen – sind nur begrenzte Zeit nachweisbar. Sind Spuren von Gewalttaten dokumentiert, gelten sie auch zu einem späteren Zeitpunkt als Beweismittel.
Der Direktor der Mannheimer Frauenklinik, Marc Sütterlin, sagte, gerade mit Blick auf Vergewaltigungen und Gewalt in der Beziehung sei das niedrigschwellige Angebot eine Bereicherung. Auch die Opferorganisation “Weißer Ring” lobte das Konzept. “Eine solche Ambulanz nimmt Gewaltopfern viel Druck”, sagt der stellvertretende Landesvorsitzende Thomas Franz.
Da der Besuch in der Gewaltambulanz zunächst folgenlos bleibe, könnten sich etwa Vergewaltigungsopfer in Ruhe überlegen, ob sie tatsächlich Anzeige erstatten wollten. Anders als beim Gang zur Polizei führe die verfahrensunabhängige Untersuchung in der Ambulanz nicht automatisch zur Anzeige. Gerade Täter aus dem familiären Umfeld spekulierten oft erfolgreich darauf, dass sich Opfer schwer mit einer Anzeige täten. “Wenn aber Beweise gesichert sind, können Täter nicht mehr auf die Angst des Opfers setzen”, betont Franz. “Nach reiflicher Überlegung können sie später immer noch die Ermittlungsbehörden einschalten.”