Der Krankenpfleger Niels H. konnte lange Zeit ungehindert morden. Mehr als 100 Patienten soll er auf dem Gewissen haben. Krankenhäuser und Politik haben seitdem mehr für den Schutz von Patienten getan. Können diese sich jetzt sicherer fühlen?
Seit der beispiellosen Mordserie des früheren Pflegers Niels H. hat sich an den Krankenhäusern viel getan, um solche Taten künftig zu vermeiden. Patientenschützern gehen diese Maßnahmen jedoch nicht weit genug. "Es braucht endlich wirksame Konsequenzen, um solche Einzeltäter zukünftig rechtzeitig zu stoppen", fordert der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Niels H. soll mehr als 100 Patienten in den Kliniken Delmenhorst und Oldenburg umgebracht haben. Wegen sechs Taten sitzt er bereits lebenslang in Haft.
Jahrelang konnte Niels H. ungehindert schwer kranke Patienten ermorden. Seinen Kollegen auf den Intensivstationen fiel auf, dass es auffällig viele Todesfälle während seiner Schichten gab. Nach Angaben der Ermittler gab es auch konkrete Hinweise auf seine Taten. Doch lange geschah nichts.
Als Reaktion auf den Fall hat die niedersächsische Landesregierung alle Krankenhäuser verpflichtet, Patientenfürsprecher einzustellen. An diese können sich Patienten und Angehörige mit Fragen und Problemen wenden. "Die Patientenfürsprecher bringen eine erhebliche Verbesserung", sagt der Landespatientenschutzbeauftragte Peter Wüst. Dass es sie gebe, reiche allein aber nicht aus. Wichtig sei, dass sich diese vernetzten. "Dadurch entsteht Transparenz im System."
Auch verschiedene Fehlermeldesysteme sollen Missstände frühzeitig aufdecken. Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) hat sich das System CIRS bewährt, bei denen Klinikmitarbeiter Fehler und kritische Ereignisse anonym melden können. Diese werden dann auf einem Portal veröffentlicht, so dass alle anderen Häusern daraus lernen können. Das Oldenburger Klinikum, die Berliner Charité und auch andere Häuser nutzen außerdem ein Whistleblowing-System, über das Mitarbeiter mögliche Straftaten vertraulich melden können - meist bei einem Rechtsanwalt.
Wie viele der rund 2000 deutschen Kliniken so ein System haben, kann die Krankenhausgesellschaft nicht sagen. Nach Angaben der Deutschen Stiftung Patientenschutz sind es noch viel zu wenige. "Insellösungen in einzelnen Kliniken reichen nicht aus", sagt Brysch. "Bund und Länder müssen vielmehr flächendeckende und einheitliche Maßnahmen ergreifen." Neben einen anonymen Meldesystem für Whistleblower müssten die Kliniken Sterbestatistiken für jede Abteilung einführen und die Medikamentenausgabe besser kontrollieren.
In Niedersachsen treffen sich der Landespatientenschutzbeauftragte und die Patientenfürsprecher der Kliniken dreimal im Jahr, um über aktuelle Fälle und Probleme zu sprechen. Verdachtsmomenten wie bei der Mordserie von Niels H. würde nach Ansicht von Wüst deswegen heute schneller nachgegangen werden.
Niels H. hatte gestanden, von 2000 bis 2005 Patienten in Oldenburg und später auch in Delmenhorst eine Überdosis Medikamente gespritzt zu haben, um sie später wiederbeleben zu können. Damit wollte er sich vor Kollegen als heldenhafter Retter beweisen. Eine Sonderkommission der Polizei ließ in den vergangenen Jahren mehr als 130 verstorbene Patienten der beiden Kliniken ausgraben und auf Rückstände der Medikamente untersuchen.
Die Ermittlungen gegen Niels H. sind so gut wie abgeschlossen. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg arbeitet zurzeit mit Hochdruck an einer weiteren Anklage. "Wir geben alles dafür, um die Anklage Anfang des Jahres auf den Weg zu bringen", sagte Oberstaatsanwalt Martin Koziolek. Seinen Angaben nach handelt es sich um eines der größten Strafverfahren in der Geschichte der Oldenburger Staatsanwaltschaft.