Ein künstliches Hüftgelenk erhalten fast nur ältere Menschen – das denken viele. Doch etwa 16 Prozent der Patienten sind jünger als 60 Jahre. Rein statistisch stehen ihnen daher bis zum Lebensende mehrere Wechseloperationen bevor. Um eine maximale Haltbarkeit des ersten Implantats zu erreichen, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e. V. (AE) für den Ersteingriff bei ansonsten gesunden Patienten ein besonders schonendes Vorgehen.
Es besteht aus einer minimalinvasiven Operation und dem Einsatz einer nicht zementierten Kurz- oder Geradschaftprothese. Die Paarung aus Hüftkopf und Gleitpfanne sollte jeweils aus Keramik beziehungsweise aus Keramik und ultrahochvernetztem Kunststoff (HXPE) bestehen. Welche Erfahrungswerte mit diesem Vorgehen existieren und für wen es in Frage kommt, diskutieren Experten auf einer Pressekonferenz im Vorfeld des 19. Kongresses der AE am 30. November 2017 in Hamburg.
Mit rund 233.000 Eingriffen gehörte die Implantation eines künstlichen Hüftgelenks zu den zehn häufigsten Operationen im Jahr 2016. Knapp 37.000 der Patienten waren dabei jünger als 60 Jahre. "Diese Patienten leiden oft an angeborenen Gelenkfehlstellungen, Durchblutungsstörungen, haben Unfallverletzungen erlitten oder eine rheumatische Erkrankung, die den Gelenkknorpel ihres Hüftgelenks zerstört hat", erläutert Professor Dr. med. Karl-Dieter Heller, Generalsekretär der AE.
Gerade künstliche Hüften für Jüngere sollten möglichst lange den Anforderungen des Alltags standhalten. Doch nach wie vor existiert kein Material, das an die Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit des natürlichen Gelenks heranreicht. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Hüftgelenksprothesen durchschnittlich mehr als 15 Jahre, mitunter auch 25 Jahre halten.
"Wir tun deshalb alles für eine lange Standzeit der ersten Prothese", sagt Professor Heller, der Chefarzt der Orthopädischen Klinik am Herzogin Elisabeth Hospital in Braunschweig ist. Besonders schonend sei hier ein minimalinvasiver Eingriff: Die Muskulatur wird dabei nicht vom Knochen abgelöst, sondern komplett geschont. Möglich machen dies moderne Lagerungstechniken und Instrumentarien. Dadurch sei das Operationstrauma geringer und die Rehabilitation gehe schneller vonstatten. Lediglich die Narbe des maximal zwölf Zentimeter langen Hautschnitts bleibt. Diese Methode erfordere jedoch viel Erfahrung von Seiten des Operateurs. Patienten sollten sich vorher entsprechend erkundigen.
Eine Kurzschaftprothese helfe, wertvolle Knochensubstanz im Oberschenkelknochen zu "sparen": "Für das im Vergleich zum Normalschaft zierliche Implantat müssen wir bei der Implantation weniger Knochen entfernen. Dadurch haben wir bei einem eventuellen späteren Wechseleingriff mehr Knochen zur Verankerung der Nachfolgerprothese zur Verfügung", erläutert Heller. Kurzschaftprothesen seien vor allem in Deutschland beliebt. Sie würden jedoch erst seit rund zehn Jahren eingesetzt. Da Langzeitergebnisse bislang fehlen, vertrauen derzeit noch viele Operateure auf die seit Jahrzehnten bewährten, aber etwas längeren Geradschaftprothesen.
Da jüngere Patienten im Schnitt aktiver als ältere Patienten sind, ist Materialverschleiß schneller möglich. Aus diesem Grund sind die Themen Prothesenverschleiß und Abrieb hier zentral, da Abriebpartikel zu Prothesenlockerungen führen können. "Wir empfehlen deshalb bei jüngeren Patienten für Hüftkopf und Pfanne die Paarungen Keramik-Keramik sowie moderner abriebreduzierter Kunststoff (ultrahochvernetztes Polyethylen (HXPE)) mit Keramik, da sie am wenigsten Verschleißpartikel erzeugen", so Heller.
Mit einem künstlichen Hüftgelenk ist ein normaler aktiver Alltag sowie das moderate Ausüben von Sportarten wie Skifahren, Laufen, Schwimmen, Golfen, Radfahren, Wandern und Nordic Walking wieder möglich. Doch der Belastungsfähigkeit und Lebensdauer einer Prothese sind – trotz deutlicher Verbesserungen gegenüber früheren Prothesen – Grenzen gesetzt. "Es ist uns wichtig, dass unsere Patienten verstehen, wo die Grenzen eines künstlichen Gelenks sind", betont auch Professor Dr. med. Henning Windhagen, Präsident der AE und Direktor der Orthopädischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) im DIAKOVERE Annastift. Sei man sich unsicher, was sportlich erlaubt sei, solle man besser vorher seinen Orthopäden fragen.