WissenschaftlerInnen vom Berlin Institute of Health (BIH) und von der Charité – Universitätsmedizin Berlin koordinieren ein internationales Projekt zur Einzelzellanalyse der menschlichen Bauchspeicheldrüse. Das Projekt ist Teil des weltweiten Unterfangens, den menschlichen Körper Zelle für Zelle zu beschreiben – des Human Cell Atlas. Ziel ist es, ein Grundverständnis des gesunden Körpers zu schaffen, bisher unbekannte Details in gesundem und krankem Gewebe zu entdecken und damit zu neuen präzisen Diagnose- und Therapiemöglichkeiten beizutragen. Die Europäische Union fördert das Horizon 2020 Projekt ESPACE mit insgesamt fünf Millionen Euro, davon geht eine Million Euro nach Berlin.
Der Pankreas erfüllt wichtige Aufgaben im menschlichen Körper: Zum einen regelt er den Zuckergehalt des Blutes, indem er Hormone in den Inselzellen produziert. Außerdem ermöglicht er die Verdauung, indem in seinen Drüsenzellen Enzyme hergestellt und in den Dünndarm abgegeben werden. Die Enzyme zerlegen Eiweiße, Kohlenhydrate und Fette in ihre Einzelbausteine und machen sie damit für den Körper erst verfügbar. So ist es kein Wunder, dass Störungen der Bauchspeicheldrüse sofort schlimme Folgen haben: Funktioniert die Hormonproduktion nicht mehr, entsteht Diabetes, sind die Drüsenzellen zu aktiv, kommt es zur Entzündung, zur Pankreatitis, oder im schlimmsten Fall zu Bauchspeicheldrüsenkrebs.
"Aus diesem Grund waren wir schon lange an der detaillierten Untersuchung dieses wichtigen menschlichen Organs interessiert“, erklärte Professor Roland Eils, BIH Chair und Gründungsdirektor des Digital Health Center am BIH und an der Charité: "Es ist allerdings knifflig, die molekularen Bausteine aus der Drüse zu isolieren, weil die Verdauungsenzyme sehr schnell arbeiten und etwa die RNA sehr schnell abbauen.“
In einem internationalen Pilotprojekt des Human Cell Atlas, das von der Chan-Zuckerberg-Foundation gefördert wurde, hat Eils mit seinen KollegInnen daher herausgetüftelt, wie die schonende Aufbereitung der einzelnen Zellen aus der Bauchspeicheldrüse gelingt. "Diese Vorarbeiten haben uns in die Lage versetzt, das Teilprojekt Pankreas in der weltweiten Human Cell Atlas Initiative zu übernehmen“, berichtete Roland Eils.
Im aktuell laufenden Projekt planen die WissenschaftlerInnen, die bisher bekannten rund 20 verschiedenen Zelltypen der Bauchspeicheldrüse genauestens unter die Lupe zu nehmen – und dabei möglicherweise noch weitere zu entdecken. Dazu untersuchten die insgesamt 10 Projektgruppen, die sowohl aus Deutschland, als auch aus den Niederlanden, Spanien, Schweden, Israel und Italien kommen, bisher sowohl die Genaktivität, indem sie die Boten-RNA aus dem Zellkern analysieren, als auch die Gesamtheit aller Proteine, das so genannte Proteom der einzelnen Zellen. Das Material stammt von herausoperierten Organen von PatientInnen, hirntoten SpenderInnen sowie abgestorbenen Foeten. So können kranke und gesunde Gewebe miteinander verglichen und die Entwicklung der Bauchspeicheldrüse verfolgt werden. Pro Organ werden etwa 100.000 Zellkerne aus verschiedenen Regionen einzeln analysiert, insgesamt also etwa drei Millionen Zellen.
"Ein solches Mammutprojekt kann nur im Verbund mit vielen Partnern gelingen, die überdies verschiedene Expertisen mitbringen“, sagte Roland Eils: "Hier arbeiten ExpertInnen aus der Medizin, der Biologie, der Mathematik, der Informatik, der Chemie und Physik zusammen.“
In Berlin findet die eigentliche RNA-Zellkernanalyse sowie im Weiteren die räumliche Kartierung statt: Mit speziellen Mikroskopen und molekularen Färbetechniken kann die Gruppe um Dr. Christian Conrad aus dem Digital Health Center genau bestimmen, woher welcher Zelltyp in der Bauchspeicheldrüse stammt. Bei Jürgen Eils im Digital Health Center laufen die Daten aus den internationalen Teilprojekten zusammen und werden ausgewertet.
Das Bauchspeicheldrüsenprojekt ist ein Teilprojekt der weltweiten Human Cell Atlas Initiative. Hier haben sich ForscherInnen zusammengetan, um jede einzelne Zelle des menschlichen Körpers zu beschreiben. Ziel ist es, die Vorgänge im gesunden Körper zu verstehen, um auf dieser Basis Krankheiten besser diagnostizieren, behandeln und vorbeugen zu können. "Das Human Cell Atlas Projekt ist sicher eines der zukunftsträchtigsten Projekte im Bereich der Lebenswissenschaften", ist Roland Eils überzeugt: "Es ist vergleichbar mit dem Humangenomprojekt, bei dem Wissenschaftler weltweit 30 Jahre lang gemeinsam daran gearbeitet haben, das menschliche Erbgut komplett zu sequenzieren. Ähnlich wie zu Beginn des Genomprojekts stehen wir auch beim Human Cell Atlas vor einer Herkulesaufgabe, die mit den heutigen Methoden noch gar nicht zu bewältigen ist. Doch unsere Vision ist es, hier einen entscheidenden Beitrag für das Verständnis des menschlichen Lebens zu leisten.“