Bei den Ordnungshütern im Land bleibt der Krankenstand auf einem schwindelerregend hohen Niveau. Macht der Beruf besonders krank? Zumindest sei das Schichtsystem "irre", behauptet die Gewerkschaft - und fordert ein Umdenken.
Sie sind im Dauereinsatz, durchlaufen gerade die "Talsohle" mit der engsten Personaldecke - und fallen auch noch überdurchschnittlich häufig aus: Der Krankenstand bei der Landespolizei in Sachsen-Anhalt ist auf hohem Niveau erneut leicht gestiegen. Im vergangenen Jahr lag er nach Angaben des Innenministeriums mit 9,56 Prozent gut ein halbes Zehntel über dem Vorjahreswert - und damit weit über dem vieler anderer Berufsgruppen.
Zum Vergleich: Nach einer aktuellen Auswertung der Krankenkasse DAK stieg der Krankenstand der gesetzlich Versicherten in ganz Deutschland voriges Jahr zwar leicht. Er lag mit 4,1 Prozent jedoch deutlich unter dem Niveau bei der Landespolizei. Sachsen-Anhalt errechnet den Krankenstand bei der Polizei nach eigenen Angaben ebenso wie die Krankenkassen - zur besseren Vergleichbarkeit.
Doch warum sind Polizisten besonders oft krank? Es gebe zwar wenig Länder mit so belastbaren Statistiken wie Sachsen-Anhalt, erklärte die Gewerkschaft der Polizei. "Wir wissen aber aus Erhebungen, dass der Krankenstand auch in anderen Bundesländern und bei der Bundespolizei deutlich höher ist als bei den gesetzlich Krankenversicherten." Die GdP macht neben der hohen Belastung auch das hohe Durchschnittsalter des Kollegiums und die Dienstplanung für die Ausfälle verantwortlich.
"Wir haben derzeit ein irres Schichtsystem, in dem keine Gesunderhaltung möglich ist", kritisierte GdP-Landeschef Uwe Petermann - und forderte, aus den Erfahrungen anderer zu lernen. Demnach müssten möglichst wenige Nacht- und viele Tagstunden in einer Schicht sein. "In Sachsen-Anhalt ist es genau umgekehrt, weil versucht wird, viel tagfrei zu organisieren, aber das ist viel ungesünder."
Zudem legten Studien nahe, dass auch die Wechselfolge der Schichten krank machen könne. Laut Petermann ist die Organisation im Land besonders ungünstig: "Auch hier müsste es umgekehrt sein: Von der Nacht- in die Mittelschicht und dann zwei Tagschichten, damit sich der Körper erholt."
Die Gewerkschaft diskutiere das mit den Verantwortlichen schon lange. "Ich kann den Kollegen noch so oft sagen, sie sollen Sport treiben und sich gesund ernähren, wenn dann andere Faktoren nicht stimmen", kritisierte Petermann. Das Land verfolge seit 15 Jahren ein Gesundheitsmanagement und wisse daher sehr genau über den Krankenstand Bescheid. Allerdings sei er seitdem auch immer eher gestiegen als gefallen.
Besonders groß war das Plus mit einem ganzen Prozentpunkt auf 9,5 Prozent zwischen 2014 und 2015. Das Innenministerium selbst vermutet hinter der Entwicklung die gestiegene Einsatzbelastung. Denn vor drei Jahren wurde die enge Personaldecke wegen der Bewachung von zahlreichen Asylunterkünften sowie Dauereinsätzen bei Demos und Fußballspielen so deutlich, dass im folgenden Landtagswahlkampf alle Parteien in trauter Einigkeit mehr Polizisten forderten. Die schwarz-rot-grüne Regierung steuerte um und bildet bereits mehr Nachwuchs aus: Nächstes Jahr soll es nach kontinuierlichem Personalabbau wieder mehr Ordnungshüter auf den Straßen geben.
Das könnte auch den hohen Krankenstand abmildern, schätzte GdP-Chef Petermann. Der Altersschnitt sinke und junge Kollegen seien weniger anfällig für Langzeiterkrankungen. Aber: Gerade psychische Probleme hätten zugenommen, viele Polizisten klagten über Demotivation. Das Land müsse an Planung, Struktur und Wertschätzung arbeiten: "Wenn ich weiß, dass den Job früher acht gemacht haben und jetzt vier, dann sorgt das für Druck."