Am 5. November 2016 erschien im Lancet eine umfangreiche Publikation von N.J. Viney et al.1, die über zwei Studien zur Lipoprotein(a)-Senkung beim Menschen durch Antisense-Oligonukleotide (ASO) berichtete, die erste in Phase 2 und die zweite in Phase 1/2a nach Kopplung dieses ASO an Triantennary N-Acetyl-Galactosamin (GalNAc3) zur Wirkungsverlängerung und Dosisverminderung (Firma ISIS, ISIS 681257).
In der 1. Studie wurde in zwei Kohorten bei 64 Patienten mit erhöhtem Lp(a), (Kohorte A: 125-437 nmol/L (52-182 mg/dL), n=51, und Kohorte B: >/= 438 nmol/L (>/= 183 mg/dL), n=13) nach 1x wöchentlicher s.c. Injektion von ASO (IONIS-APO(a)-Rx) im Vergleich zu Plazebo (n=29) nach mehreren Wochen eine mittlere Lp(a)-Absenkung von 66% erzielt. Die 2. Studie, ein „first-in-man trial“, untersuchte 28 gesunde Versuchspersonen mit einem Lp(a) >/= 75 nmol/L (>/= 31 mg/dL) mit an GalNAc3-gekoppeltem ASO (IONIS-APO(a)-L-Rx) in mehreren, steigenden Dosen. Hier fanden sich nach 30 Tagen in allen Gruppen signifikante Lp(a)-Reduktionen. Das gekoppelte ASO war in der höchsten Dosis bis zu 30x potenter als ohne Bindung an das Galaktosamin-Derivat.
Nebenwirkungen: In der 1. Studie mit dem ungekoppelten ASO kam es in Kohorte A in 10%, in Kohorte B in 19% zu Hautreaktionen an den Einstichstellen; dies führte 1x zum Therapieabbruch. Auch nach einer Präsynkope wurde die Therapie vorzeitig beendet. Myokardinfarkte traten je 1x unter ASO und unter Plazebo auf. In Studie 2 mit dem gekoppelten ASO kam es zu keinen ernsten Nebenwirkungen.
Kommentar von Prof. Dr. Helmut Schatz
Die Galaktosamin-Kopplung des Antisense-Oligonukleotids für Lp(a) bewirkt eine viel längere Halbwertszeit sowohl im Plasma durch Proteinbindung und insbesondere im Gewebe, wo der Kohlenhydratanteil rasch abmetabolisiert wird und dann die Halbwertszeit etwa 4 Wochen beträgt2. Dementsprechend sind die für eine Lp(a)-Reduktion nötigen Dosen 1.) geringer, 2.) muss das Präparat nicht wöchentlich, sondern möglicherweise nur monatlich oder gar nur vierteljährlich injiziert werden und 3.) taten bisher keine ernsteren Nebenwirkungen auf, im Unterschied zum nativen Präparat.
Lipoprotein(a) stellt einen eigenständigen Risikofaktor für den Herzinfarkt und eine kalzifizierende Aortenklappenstenose dar. Zu klären bleibt, welche Interferenzen sich bei einer kombinierten lipidsenkenden Therapie mit Statinen, PCSK9-Hemmern und den neuen ASO für Lp(a) ergeben werden. Diese ASO senken, wie in der Arbeit gezeigt1, nicht nur Lp(a), sondern auch LDL-Cholesterin, Apolipoprotein B und oxidierte Phospholipide assoziiert mit Apolipoprotein B und A.. Als Folge kommt es auch zu einer verminderten Aktivierung von proinflammatorischen Monozyten. In einem Comment zu der Arbeit geht Mark W. Feinberg von der Harvard Medical School in Boston auf diese Fragen detaillierter ein3.
Wie schon im Blogbeitrag vom 2. Januar 2017 über eine Triglycerid-Reduktion mit ASO ausgeführt, wird die nahe Zukunft wohl eine Fülle neuer Therapieansätze mit Antisense-Olgonukleotiden bringen, deren Langzeitergebnisse bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit natürlich sorgfältig zu beobachten sein werden4.
Literatur
(1) N. J. Viney et al.: Antisense oligonucleotides targeting apolipoprotein(a) in people with raised lipoprotein(a): two randomized, double-blind, placebo-controlled, dose-ranging trials.
Lancet 388, November 5, 2016: 2239-2253
(2) R.Z. Yu et al.: Disposition and pharmacology of a GalNAc3-conjugated antisense oligonucleotide targeting human lipoprotein(a) in monkeys.
Nucleic acid Ther. December 2016. 26(6)372-380. Epub. 2016 August 8.
(3) M.W. Feinberg: No small task: therapeutic targetimng of Lp(a) for cardiovascular disease.
Comment.LaNCET §((; November 5, 2016:2211-2212
(4) H. Schatz: Triglyceridabsenkung durch Antisense-Technologie. Eine Phase III – Studie (COMPASS).
DGE-Blogbeitrag vom 2. Januar 2017