Ein Krankenpfleger hat eine beispiellose Mordserie gestanden – und ist am Donnerstag zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Landgericht Oldenburg verurteilte den 38 Jahre alten Niels H. wegen zweifachen Mordes, zweifachen Mordversuchs und gefährlicher Körperverletzung an Patienten des Klinikums im niedersächsischen Delmenhorst. Außerdem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Im Prozess gestand Niels H. sogar, für den Tod von bis zu 30 Patienten verantwortlich zu sein.
Die Polizei geht weiter einer mutmaßlichen Mordserie nach, die eine der größten an Krankenhäusern in Deutschland sein könnte. Die Ermittler untersuchen mehr als 200 Verdachtsfälle an mehreren früheren Arbeitsstellen des Mannes.
Mit der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld ist ausgeschlossen, dass die Reststrafe nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
Der 38-Jährige hatte lange geschwiegen, dann aber überraschend ein umfassendes Geständnis abgelegt. Etwa 90 Patienten hat er demnach zwischen 2003 und 2005 auf der Delmenhorster Intensivstation eine Überdosis eines Herzmedikaments gespritzt, das zu Kreislaufversagen, Herzrhythmusstörungen und anderen Komplikationen führte. Damit habe er beweisen wollen, wie gut er Menschen wiederbeleben kann. Bei bis zu 30 Opfern gelang es ihm nach eigenen Schätzungen nicht.
Verurteilen konnten die Oldenburger Richter den Mann in dem Prozess nur für die fünf angeklagten Taten. Deshalb muss sich Niels H. möglicherweise erneut vor Gericht verantworten, wenn die Polizei ihre Ermittlungen beendet hat. Die Ermittler wollen in den nächsten Wochen acht Leichen exhumieren und auf Spuren des todbringenden Herzmedikaments untersuchen lassen. Für vier weitere Exhumierungen liegen bereits Genehmigungen vor.
Nach Ansicht der Verteidigung hat sich Niels H. dagegen nur des Totschlags schuldig gemacht. Die Verteidigerin ging von zwei Tötungsdelikten und dreifacher gefährlicher Körperverletzung aus. Schon 2008 war Niels H. wegen eines ähnlichen Falls zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt worden.
Bereits damals gab es Hinweise, dass der Pfleger deutlich mehr Patienten getötet haben könnte. Die Staatsanwaltschaft ging dem aber nicht nach. Als Angehörige der Opfer Druck machten, ermittelte die Behörde weiter und klagte den Mann erneut an. Die Staatsanwaltschaft räumt inzwischen Pannen und Verzögerungen bei den Ermittlungen ein. Gegen zwei frühere Mitarbeiter besteht der Verdacht der Strafvereitelung im Amt.
Für die Deutsche Stiftung Patientenschutz bedeutet das Urteil nur den Anfang der Aufarbeitung. “Nichts sehen, nichts hören und nichts sagen – das waren zu oft in Krankenhäusern und in der Justiz die Devisen”, kritisierte Vorstand Eugen Brysch. Das Problembewusstsein der Mitarbeiter müsse gefördert werden. Außerdem forderte er, die Medikamentenabgabe besser zu kontrollieren und eine Sterbestatistik sowie ein anonymes Meldesystem einzuführen.
Text und Foto: dpa /fw