Lauterbach verordnet der Industrie eine Rosskur
Mit geschätzt zwei Milliarden Euro soll die pharmazeutische Industrie weit überproportional zur Deckung der GKV-Finanzlücke beitragen.
Sparbeiträge der Industrie wesentlich höher als die anderer Leistungserbringer
Nach den am 28.06. von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach vorgestellten Eckpunkten für ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz liegt nun seit 04.07. der ausformulierte Referentenentwurf einschließlich der Sparpläne für die Arzneimittelversorgung vor. Die danach vorgesehenen Sparbeiträge der Industrie fallen mit schätzungsweise rund zwei Milliarden Euro wesentlich höher aus als die anderer Leistungserbringer. Zum Vergleich: Die KBV schätzt den Verlust an Arzthonoraren aufgrund der Einbeziehung von Neupatienten in die Budgetierung auf rund 400 Millionen Euro.
Pläne für die Arzneiversorgung im Einzelnen:
- Preismoratorium: Es wird über den 31. Dezember 2022 um weitere vier Jahre verlängert; damit sind seit 2009 keine Preiserhöhungen mehr möglich gewesen. Ohne die Verlängerung befürchtet das BMG erhebliche Preisanpassungen, die jährlich 1,8 Milliarden Euro ausmachen könnten.
- Solidarbeitrag der Industrie: Hersteller patentgeschützter Arzneimittel und von Orphan Drugs zahlen 2023 und 2024 jährlich eine Milliarde Euro an den Gesundheitsfonds. Die Beteiligung des einzelnen Unternehmens berechnet der GKV-Spitzenverband auf Basis der jeweiligen Herstellerumsätze mit der GKV. Begründung: Die Umsätze patentgeschützter Arzneimittel seien 2019 und 2020 überproportional auf 24,2 Milliarden Euro gestiegen. In Härtefällen kann der Unternehmer eine Ausnahme bei der GKV beantragen.
- Erstattungsbeträge für nutzenbewertete Arzneimittel: Künftig gelten Erstattungsbeträge ab dem siebten Monat nach Markteinführung; bislang wurden sie mit der Einigung zwischen Hersteller und GKV ein Jahr nach der Einführung eines Arzneimittels wirksam.
- Leitplanken für Erstattungsbeträge: Der Gesetzgeber stärkt die Position des GKV-Spitzenverbandes und macht stringente Vorgaben über die Höhe von Erstattungsbeträgen. Das Ausmaß des Zusatznutzens und die Aussagewahrscheinlichkeit darüber (Evidenz) sollen bei der Monetarisierung stringenter angewendet werden. Bei Arzneimitteln ohne Zusatznutzen muss der Erstattungsbetrag künftig um mindestens zehn Prozent unter dem der zweckmäßigen Vergleichstherapie liegen, wenn diese noch patentgeschützt ist. Bei einem geringen oder nicht quantifizierbaren Zusatznutzen soll der vereinbarte Erstattungsbetrag nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führen als bei der Vergleichstherapie.
- Orphan Drugs: Die Umsatzschwelle, ab der ein Arzneimittel gegen Seltene Krankheiten die volle Nutzenbewertung durchlaufen muss, wird von derzeit 50 auf 20 Millionen Euro gesenkt. Grund ist, dass bei Orphan Drugs aufgrund ihres arzneimittelrechtlichen Status unterstellt wird, dass sie einen Zusatznutzen haben. Allerdings wurde vor allem in den letzten Jahren festgestellt, dass der Bundesausschuss den grundsätzlich anerkannten Zusatznutzen sehr häufig nicht quantifizieren konnte, weil die vorgelegte Belege in den Dossiers dazu nicht geeignet waren.
Verband der forschenden Pharma-Unternehmen: inakzeptable Pläne
In einer ersten Reaktion sprach der Vorsitzende des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen, Han Steutel, von "inakzeptablen" Plänen. Der enorme Reformbedarf im Gesundheitswesen bedürfe der konstruktiven Zusammenarbeit aller Beteiligten – die Art und Weise der Entstehung des jetzigen Referentenentwurf sei "grottenschlecht". So könne man nicht miteinander umgehen.