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Langzeitstudie: Prävention von Essstörungen durch frühzeitige Aufklärung

Eine Langzeitstudie des Universitätsklinikums Jena (UKJ) ergibt: Mädchen, die zu Beginn der Pubertät an Programmen zur Prävention von Essstörungen teilgenommen hatten, haben als junge Frauen einen stabileren Körperselbstwert.

"Zum Glück haben wir in der Schule gelernt, nicht wie Barbie zu werden"

Eine Langzeitstudie des Universitätsklinikums Jena (UKJ) ergibt: Mädchen, die zu Beginn der Pubertät an Programmen zur Prävention von Essstörungen teilgenommen hatten, haben als junge Frauen einen stabileren Körperselbstwert.

Thüringens Schülerinnen, die zur Vorbeugung von Essstörungen an den Programmen "PriMa" und "Torera" teilnahmen, haben einen stabileren Körperselbstwert. Das ist ein Ergebnis der Langzeitstudie LooP ("long-term effects of school based prevention programs related to eating behavior and the development of eating disorders"), die mit einem Abstand von gut zehn Jahre nach Beginn der Präventionsprogramme vom UKJ durchgeführt wurde.

"Ein sinkender Körperselbstwert während der Pubertät ist normal und einer der Hauptrisikofaktoren für Essstörungen. Deshalb ist für uns die Stabilität des Körperselbstwertes in den Projektgruppen ein sehr ermutigendes Ergebnis, um Essstörungen wirkungsvoll vorzubeugen", resümiert PD Dr. Uwe Berger, Psychologe am Institut für Psychosoziale Medizin und Psychotherapie des UKJ und Projektleiter der Studie LooP. Das ist ein positives Fazit und auch eine Bestätigung für die Schulen, die Programme zur Vorbeugung von Übergewicht und Essstörungen anbieten.

Dabei wurden 1.000 ehemalige Schülerinnen zu einer wissenschaftlichen Befragung eingeladen. Mehr als 100 beantworteten insgesamt 67 Fragen zum Essverhalten und zur Wahrnehmung des eigenen Körpers. Darunter waren Fragen wie: "Mich beschäftigt der Wunsch, dünner zu sein.", "Nachdem ich gegessen habe, fühle ich mich deswegen sehr schuldig", "Ich neige dazu, meinen Körper zu verbergen". Ein Ergebnis: Die heute 19- bis 20-Jährigen, die damals an den Präventionsprogrammen teilnahmen, haben einen stabileren Körperselbstwert als Gleichaltrige ohne Programmteilnahme.

Krankenkassen unterstützen die Projekte

Für die Untersuchung von Langzeiteffekten wurden auch anonymisierte Daten der unterstützenden Krankenkassen BARMER und AOK PLUS für das LooP-Projekt ausgewertet. BARMER Landesgeschäftsführerin Birgit Dziuk: "Junge Mädchen werden schon sehr früh mit vermeintlichen Schönheitsidealen konfrontiert. Ein gefestigtes Selbstbewusstsein und Körpergefühl sind der beste Schutz. Vielleicht sollte man aber auch einmal überlegen, die Modeindustrie an der Finanzierung von Präventionsprogrammen zu beteiligen. Hier sind wir alle gefragt, was wir schön finden, bestimmen wir alle als Gesellschaft mit." Mit der Ernährungsinitiative "Ich kann kochen", der bundesweit größten Kampagne zur Ernährungsbildung von Kita- und Grundschulkindern, hat es sich die BARMER zum Ziel gesetzt, 2.800 Genussbotschafterschulungen durchzuführen und 1,4 Mio. Kinder erreichen.

Essstörungen sind schwerwiegende Erkrankungen des Jugendalters. Sie sind schwer behandelbar und verlaufen oft chronisch. Vor allem die Magersucht endet bei etwa zehn Prozent der Betroffenen tödlich. Unter Essstörungen leiden vor allem junge Mädchen. Insgesamt sind rund fünf Prozent der Mädchen und ein Prozent der Jungen im Alter von 14 bis 24 Jahren in Deutschland erkrankt. Es wird zwischen drei verschiedenen Essstörungen unterschieden. Die Magersucht (Anorexie) ist gekennzeichnet durch eine starke Gewichtsabnahme bei anhaltendem Gefühl, zu dick zu sein. Die Ess-Brech-Sucht (Bulimie) und die Binge-Eating-Störung äußern sich durch extreme Essanfälle, wobei bei der Bulimie gegenregulierende Maßnahmen wie z. B. Erbrechen ergriffen werden, um eine Gewichtszunahme zu verhindern. "Allen drei Störungen gemein ist jedoch der geringe Körperselbstwert. Figur und Körpergewicht haben große Bedeutung für die Selbstbewertung", erklärt Luise Adametz, wissenschaftliche Mitarbeiterin im UKJ.

Wie erkennen Jugendliche oder Eltern eine Essstörung?

"Wir unterscheiden zwischen auffälligem Essverhalten und Essstörungen, wobei der Übergang meist fließend ist. Auffälliges Essverhalten ist gekennzeichnet durch einzelne Denk- und Verhaltensweisen, wie z. B. häufiges Diäthalten und Unzufriedenheit mit dem Gewicht", sagt Dr. Felicitas Richter, wissenschaftliche Mitarbeiterin im UKJ. Bei einer Essstörung sind Symptome wie Hungern oder intensives Erbrechen so stark ausgeprägt, dass das Leben der Betroffenen bereits sehr eingeschränkt ist. Es treten Konzentrationsschwierigkeiten, fehlende Energie und sozialer Rückzug auf. Häufig zusätzlich vorhanden sind psychische Erkrankungen wie Depression und Ängste. Trotz starker Schuld- und Schamgefühle erkennen die Betroffenen selten die Notwendigkeit für eine Behandlung.

"In Thüringen wurde 2014 bei einem Prozent der weiblichen Versicherten der Krankenkassen AOK PLUS und BARMER im Alter zwischen elf und 25 Jahren die Diagnose einer Essstörung gestellt. Nur ein Viertel der Betroffenen mit der Diagnose Essstörung erhielt eine ambulante psychotherapeutische Behandlung", berichtet Julia Mühleck, wissenschaftliche Mitarbeiterin im UKJ. Die Präventionsprogramme setzen daher bereits vor dem Ausbruch einer Essstörung im Alter von elf bis 13 Jahren an. Die Mädchen lernen auf spielerische Art und Weise, sich mit relevanten Themen wie Schönheitsidealen auseinander zu setzen. Zusätzlich fördert dies ein positives Klassenklima und einen vertrauensvolleren Umgang zwischen Schülern und Lehrkräften. Auch werden die Lehrkräfte darin unterstützt, den Beginn einer Essstörung besser zu erkennen und weitere Hilfsangebote zu initiieren. Auch zehn Jahre nach der ersten Durchführung der Programme "Prima" und "Torera" erachten viele der befragten Lehrkräfte die Prävention von Essstörungen als ein wichtiges Thema. Es braucht jedoch engagierte Schulleiter, Projektlehrkräfte oder andere pädagogische Fachkräfte und unterstützende Eltern, um die Programme auch langfristig und regelmäßig in die Schule zu integrieren.