Der Andrang in Notaufnahmen hat spürbar zugenommen. Bei langen Wartezeiten liegen die Nerven oft blank. Immer wieder kommt es zu Übergriffen, gegen die sich die Kliniken nun wappnen: Die einen mit Alarmknöpfen, die anderen mit Wachpersonal und Deeskalationstraining.
Lange Wartezeiten, Probleme mit alkoholisierten Patienten oder Ärger über das Weiterschicken zum Hausarzt: All das führt seit Jahren in vielen Notaufnahmen im Norden zu Spannungen und Übergriffen. Die Kliniken in Niedersachsen und Bremen haben inzwischen reagiert: Mit Notfallalarmknöpfen, Überwachungskameras, Sicherheitspersonal und Deeskalationstraining für Mitarbeiter. Denn die Zahl der Übergriffe nimmt zu, wie eine dpa-Umfrage ergab.
Das Nordstadtkrankenhaus in Hannover reagierte vorigen Herbst mit dem Einsatz von Wachpersonal. "Es geht darum, die Beschäftigten zu schützen und ihnen Freiräume für ihre eigentlichen Aufgaben zu geben", sagte der Sprecher des Klinikums Region Hannover, Nikolas Gerdau. Auch andere Kliniken sorgen vor. In Bremen gibt es Notfallknöpfe in den Räumen der Notaufnahme, in Oldenburg wurde auf Wunsch der Mitarbeiter eine Überwachungskamera installiert.
Im Nordstadtkrankenhaus in Hannover entwickelten sich in der Notaufnahme immer wieder Konflikte mit Patienten und deren Angehörige, teils mit verbalen Entgleisungen, teils aber auch mit tätlichen Übergriffen, sagte Kliniksprecherin Gerdau. "Dabei spielt meist Alkohol eine Rolle." In den anderen Häusern des Klinikums ist aber bislang kein Wachdienst geplant.
Auch Stefanie Beckröge vom Bremer Klinikverbund Gesundheit Nord berichtet von einer Zunahme der Übergriffe. "Es herrscht oft eine aggressive Grundstimmung." Auch sie nennt Alkohol, Wartezeiten und aggressive Angehörige als Faktoren.
In Bremen, am Klinikum Oldenburg und in anderen Hospitälern werden Mitarbeiter in Deeskalationsseminaren auf Konfliktfälle vorbereitet. In der zentralen Notaufnahme des Klinikums Bremen-Mitte etwa nahm die Zahl der Patienten seit 2010 um etwa 30 Prozent zu.
Für Betroffene sind stundenlange Wartezeiten oft schwer zu verstehen. Die Sprecherin des Klinikums Oldenburg, Barbara Delvalle, verweist aber auf notwendige und klare Prioritäten: "Unfallopfer und Lebensgefahr gehen vor. Die Notfallaufnahme ist nicht für Grippefälle gedacht." Das sorge teilweise für Unverständnis und Wut. In Oldenburg sollen bald Alarmknöpfe in allen Räumen zur Verfügung stehen. Die installierte Überwachungskamera dient dem Schutz der Mitarbeiter.
In der Medizinischen Hochschule Hannover gibt es schon seit Jahren einen Wachmann in der Notaufnahme. Er ist eigentlich als Brandwache in der Nähe des Hubschrauber-Landeplatzes eingesetzt, wird aber auch als Konfliktschlichter gerufen. Dies sei häufiger am Wochenende der Fall, wenn Alkohol im Spiel sei, sagt MHH-Sprecher Stefan Zorn. Es gebe auch Menschen mit psychischen Problemen, die immer wieder in die Notaufnahme kämen. Mit der großen Mehrzahl der Patienten kämen Ärzte und Pfleger aber auch bei Konflikten gut alleine zurecht.
Im Klinikum Lüneburg sind nachts von 21.00 bis 6.00 Uhr Wachleute im Einsatz, wie Sprecherin Angela Wilhelm mitteilte. Sie sind nicht speziell in der Notaufnahme eingesetzt, können im Bedarfsfall aber auch von dort gerufen werden. Das passiere relativ selten, etwa drei bis vier Mal im Jahr.
Auch das Klinikum Wolfsburg hat seit mehreren Jahren einen Sicherheitsdienst im Einsatz. Dieser kommt insbesondere an Wochenenden in den Nachtstunden, an Feiertagen und bei besonderen Veranstaltungen zum Einsatz.
Dass der Andrang in den Notaufnahmen und die Belastung der Personals so groß ist, liegt aus Sicht des Ärzteverbandes Marburger Bund auch daran, dass kaum jemand etwas mit der Telefonnummer 116117 anfangen kann, unter der bundesweit der kassenärztliche Bereitschaftsdienst zu erreichen ist. "Es geht darum, die Notaufnahmen zu entlasten, damit sie sich besser um akute Schwerkranke kümmern können", sagt Verbandssprecher Hans-Jörg Freese. Nach einer Studie der Techniker Krankenkasse waren nur sechs von zehn Menschen, die in den letzten zehn Jahren in eine Notaufnahme kamen, tatsächlich auch Notfälle.
In der Universitätsmedizin in Göttingen ist schon seit 20 Jahren ein Wach- und Sicherheitsdienst tätig, dessen Aufgaben sich von der reinen Objektbewachung hin zu einem Personenschutz gewandelt habe, wie Sprecher Stefan Weller mitteilte. "Es wurde festgestellt, dass die Anzahl sowie die Qualität der Übergriffe zugenommen und sich verändert hat", sagte Weller. "Insgesamt sinkt die Hemmschwelle für gewaltsame Übergriffe. Ein Krankenhaus ist hier lediglich Spiegelbild der gesellschaftlichen Entwicklung."