Das Pink House ist die letzte Abtreibungsklinik im US-Bundesstaat Mississippi. Abtreibungsgegner bedrängen Schwangere, bevor sie auf das Gelände kommen. Dieser Kampf wird bald auch vor dem Obersten Gericht der USA ausgetragen - mit Folgen für alle Frauen im Land.
Wann immer ein Auto auf das Gelände der Abtreibungsklinik einbiegt, eilt Pam bewaffnet mit Broschüren zum Fahrzeug. Sie ruft dann, dass es andere Möglichkeiten gebe. Sind die Frauen auf dem kleinen Klinikgelände angekommen, verfolgt Pam sie von der anderen Seite des Zauns aus bis zum Eingang.
Das Pink House in Jackson ist die einzige Abtreibungsklinik im US-Bundesstaat Mississippi. Der Kampf gegen Abtreibungsgegner wird bald vor dem Obersten Gerichtshof der USA ausgetragen. Dort steht das Pink House im Zentrum eines Falls, der das Abtreibungsrecht überall in Amerika massiv einschränken kann. Der Supreme Court überprüft ein Gesetz aus Mississippi, das fast alle Abtreibungen nach der 15. Schwangerschaftswoche verbietet.
Nach einem Grundsatzurteil von 1973 sind Abtreibungen in den USA bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlaubt - heute etwa bis zur 24. Schwangerschaftswoche. Diese Rechtsprechung, bekannt als Roe v. Wade, könnte der Supreme Court nun ändern. Sollte er entscheiden, dass das Mississippi-Gesetz verfassungsmäßig ist, wäre Roe v. Wade aufgehoben.
Es ist nicht das erste Mal, dass Roe v. Wade zu kippen droht. Der Streit um das Recht auf Abtreibung beschäftigt die Gerichte und die Gesellschaft in den USA seit Jahrzehnten. Unter dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump ist der Supreme Court deutlich konservativer geworden. "Wir sind wütend und hassen das, aber wir sind nicht überrascht", sagt Derenda Hancock. Sie gehört zu den Gründerinnen einer Gruppe, die Schwangere von den Abtreibungsgegnern vor der Klinik abschirmt. Das, was Trump auf bundesweiter Ebene getan habe, geschehe schon lange auf lokaler Ebene, sagt sie.
Ein neues Gesetz dort hat gerade für heftige Empörung gesorgt: Es verbietet fast alle Abtreibungen, sobald der Herzschlag des Fötus festgestellt worden ist. Der Supreme Court hatte einen Eilantrag gegen das Gesetz abgewiesen. Zwar hat er dabei nicht in der Sache an sich geurteilt. Viele fürchten aber, dass die Entscheidung erahnen lässt, wie das Gericht im Mississippi-Fall entscheiden wird.
Hancock steht mit einer Handvoll Freiwilliger vor dem Pink House. Dass Abtreibungsgegner Frauen vor der Klinik belästigten, sei Alltag. Ein anderer Freiwilliger erzählt, dass die Gegner sich auch etwas entfernt vor dem Pink House aufstellten und als Klinikpersonal ausgäben. Sie würden die Schwangeren dann zu einer anderen Klinik leiten, die gar keine Abtreibungen vornimmt. Hancock ist sich sicher, dass sich die meisten Frauen dennoch nicht abschrecken ließen. "Wir sind die letzte verbliebene Abtreibungsklinik in Mississippi. Wohin sollen sie die Leute vertreiben?" Es ärgere sie, wenn Leute sagten, die Frauen könnten doch in einem Staat abtreiben, in dem es einfacher sei. Manche Frauen könnten sich nicht mal den Weg nach Jackson leisten, klagt sie.
Jarvis Dortch ist der Leiter der Bürgerrechtsorganisation ACLU Mississippi. Die Organisation hat ein Büro in der verlassenen Innenstadt von Jackson und schaut mit Sorge auf die Entscheidung des Supreme Courts, die für 2022 erwartet wird. Er fürchtet, dass das Urteil des Gerichts dazu führen könnte, dass jeder Bundesstaat seine eigenen Abtreibungsgesetze verabschieden würde. "Das wäre wahrscheinlich das schlimmste Ergebnis", sagt er.
Für den Fall, dass das Grundsatzurteil Roe v. Wade kippt, haben einige Staaten schon Gesetze vorbereitet, die sofort in Kraft treten könnten. Es sind vor allem die erzkonservativen Staaten im Süden und mittleren Westen, die Abtreibung ganz oder fast komplett verbieten wollen. Doch warum ist es gerade dieses Thema, das die Gemüter immer wieder so erhitzt? "Im Grunde geht es um Macht", sagt Dortch. "Du sagst einer Frau, wie sie ihr Leben zu leben hat."