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Kinder mit Diabetes: Wie Inklusion an Schulen gelebt werden kann

Wenn der Alltag zur Herausforderung wird: Kinder, die an Typ-1-Diabetes erkrankt sind, sehen sich mit vielen Gesundheitsfragen konfrontiert. Wie kann Schule dabei helfen?

Diagnose Diabetes: Eine Herausforderung für die jungen Betroffenen

Diabetes Typ 1: Diese Diagnose erhält rund eines von 500 Kindern in Deutschland. Das Leben mit einer chronischen Krankheit, insbesondere im jungen Alter, bringt viele Herausforderungen mit sich. Bei Diabetes bedeutet das konkret: Auf die Ernährungsweise achten, den Blutzuckerspiegel regelmäßig messen und Insulin spritzen. "Zumindest im Grundschulalter sind die Kinder damit häufig überfordert", so Prof. Dr. med. Andreas Neu, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und kommissarischer ärztlicher Direktor an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Tübingen. Häufig sind auch Lehrkräfte mit gesundheitsbezogenen Fragen, wie nach der passenden Insulindosierung, überfordert, schließlich mangelt es häufig an zeitlichen Kapazitäten, und außerdem ist das schulische Personal nicht dazu ausgebildet, medizinischen Rat zu erteilen. 

Schulgesundheitsfachkräfte können die ganze Familie entlasten 

"Es gibt hierzulande noch keine ausreichenden und flächendeckenden Maßnahmen zur Inklusion und Integration von Kindern mit der Diagnose Diabetes Typ 1 in Bildungseinrichtungen. Das führt dazu, dass die jungen Patientinnen und Patienten immer wieder vom Regelschulbesuch ausgeschlossen werden", erläutert Neu. Diese Belastung bleibt auch an den Eltern der betroffenen Kinder hängen. Häufig schränkt ein Elternteil die Berufstätigkeit ein, um dem Nachwuchs zur Seite stehen zu können. Solche Entscheidungen bringen nicht nur finanzielle Einbußen mit sich, auch körperliche und psychische Überforderung können zu familiären Problemen werden. Um erkrankten Kindern und ihren Familien Entlastung im Schulalltag zu bieten, können Schulgesundheitsfachkräfte zum Einsatz kommen. "Um die Diskriminierung von chronisch Erkrankten zu beenden und Kindern mit Diabetes Typ 1 eine reguläre Beschulung zu ermöglichen, setzen wir uns für diese medizinisch ausgebildeten Fachkräfte an allen Grundschulen ein. Denn sie können Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen adäquat versorgen und Eltern sinnvoll unterstützen", äußert Dr. med. Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender von diabetesDE - Deutsche Diabetes-Hilfe. 

Welche Aufgaben übernehmen Schulgesundheitsfachkräfte? 

Ähnlich zu den Aufgaben von "school nurses", die in in anderen Ländern bereits lange tätig sind, haben Schulgesundheitsfachkräfte folgende Aktivitätsfelder:1

Aufgrund der vielfältigen Tätigkeitsbereiche und der autonomen Handlungshoheit des angestellten Personals ist für Schulgesundheitsfachkräfte die Qualifikation einer Pflegefachkraft notwendig. Durch diesen medizinischen Hintergrund können Schulgesundheitsfachkräfte unter anderem Lehrkräfte entlasten, da sich diese nicht mehr Schülerinnen und Schülern mit gesundheitlichen Beschwerden annehmen müssen.1 Außerdem profitiert das medizinische Versorgungssystem, wie Hausärztinnen und -ärzte oder Kinderärzte und -ärztinnen, da leichte Beschwerden oder kleinere Verletzungen direkt vor Ort in der Schule behandelt werden können. Unter Umständen kann dann auch eine Weiterleitung an gezielte medizinische Einrichtungen erfolgen. Zudem erfolgt eine Verhinderung von unnötigen Krankenhauseinweisungen. Das geschulte Personal ist in der Lage, die gesundheitliche Situation von Kindern und Jugendlichen einzuschätzen und kann Hilfe leisten, die häufig bereits ausreichend ist.1

Nicht nur diabeteskranke Kinder profitieren von Gesundheitspersonal an Schulen 

Momentan benötigt rund jedes vierte Kind eine weitergehende therapeutische oder medizinische Unterstützung, sei es durch Hilfe bei der Medikamentengabe oder allgemeine Assistenz im Schulalltag. Zusätzlich werden durch angestellte Fachkräfte nicht nur akut verletzte oder chronisch kranke Kinder behandelt und versorgt, sondern diese können das Gesundheitsbewusstsein von Kindern bereits im Grundschulalter fördern, indem sie gesundheitsfördernde Projekte konzipieren. Darunter fallen beispielsweise Informations- und Mitmachangebote zu Ernährung und Bewegung oder präventiv zu Suchtmitteln und Medienkonsum. In zwei Modellprojekten, die in Brandenburg und Mittelhessen durchgeführt wurden, konnten laut Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) "große Wirkungen auf Schülerinnen und Schüler" entfalten, was sich beispielsweise durch mehr Bewegung oder eine bessere Zahnhygiene äußerte. 

Neben dem Nutzen für Kinder, insbesondere chronisch kranke, entlasten Schulgesundheitsfachkräfte das Schulsystem und tragen zur finanziellen Sicherheit von Familien bei. "Auch volkswirtschaftlich sind Schulgesundheitsfachkräfte eine lohnende Investition", resümieren die Experten. 

Quellen:
  1. Dr. Johann Böhmann & Dr. Gabriele Ellsäßer (Hrsg.) (2021): Schulgesundheitsfachkräfte (SGFK) an öffentlichen Schulen im Land Brandenburg- eine wirksame Ressource für die Schülergesundheit Analysen der Tätigkeiten und der Vernetzung. https://schulgesundheitsfachkraft.de/abschlussberichte-dokumente/?file=files/SGF_DOKUMENTE/berichte-2021/evaluationsberichte/analysen-der-taetigkeit-und-der-vernetzung.pdf