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Kasuistik: Typ-2-Diabetes und chronische Nierenerkrankung

Wie kann die Behandlung eines 70-jährigen Patienten mit Typ-2-Diabetes und chronischer Nierenerkrankung optimiert werden, wenn die orale Tripletherapie nicht mehr ausreicht? Welche Therapie bringt für den Patienten mehr Vorteile?

Typ-2-Diabetes und chronische Nierenerkrankung bei einem 70-jährigen Patienten

Anamnese

Herr M. ist ein 70-jähriger Patient und wird von seinem Hausarzt zur Optimierung der Diabeteseinstellung und wegen Verschlechterung der Nierenfunktion zur Anpassung der Medikation überwiesen. Ein Diabetes mellitus Typ 2 ist seit 2013 bekannt. Der Patient berichtet, die HbA1c-Werte hätten meist zwischen 7 und 7,5 Prozent gelegen, seien in letzter Zeit aber angestiegen. Der aktuell bestimmte HbA1c-Wert beträgt 8,2 Prozent. Das Vorliegen einer chronischen Nierenerkrankung mit Einschränkung der Nierenfunktion ist dem Patienten im Gespräch nicht bekannt. Er wisse nur, dass der Hausarzt gesagt habe, die Niere sei nicht mehr so in Ordnung. Das aktuelle Gewicht von Herrn M. beträgt 114,6 kg bei 178 cm Größe, entsprechend einem BMI von 36,1 kg/m2.

Persönliches

Herr M. ist berentet und war als Bankkaufmann in einer großen Bankenniederlassung tätig. Bedingt durch orthopädische Begleiterkrankungen bewegt er sich eher wenig. Nur etwas Fahrradfahren am Wochenende könne er noch, macht dies allerdings nur in der warmen Jahreszeit bei gutem Wetter. Die Ernährung des Patienten ist weitgehend diabetesgerecht. Süßigkeiten esse er nur selten, keine gezuckerten Getränke, kein übermäßiger Obstkonsum.

Diagnosen

Bisherige Therapie

Candesartan 32 mg 1-0-0
Amlodipin 10 mg 0-0-1
ASS 100 mg 1-0-0
Rosuvastatin 40 mg/Ezetimib 10 mg 0-0-1
Sitagliptin 50 mg/Metformin 1000 mg 1-0-1
Empagliflozin 25 mg 0-0-1

Labor

HbA1c 8,2%, Nüchtern-BZ 155 mg/dl (8,6 mmol/l). Kreatinin 1,70 mg/dl, eGFR nach CKD-EPI 39,9 ml/min. LDL 42 mg/dl. Albumin-Kreatinin-Quotient (UACR) 168 mg/g Kreatinin.

Weiteres Vorgehen

Herr M. wird bereits mit einer oralen Tripletherapie aus Metformin, DPP-IV-Hemmer und SGLT2-Hemmer behandelt. Es muss also mit dem Patienten besprochen werden, dass eine weitere Eskalation der OAD-Therapie nicht sinnvoll ist, sondern dass eine Injektionstherapie begonnen werden muss. Hierbei ist vor allem zu berücksichtigen, dass die derzeitige Dosierung von Metformin und Empagliflozin bei einer eGFR von knapp unter 40 ml/min nicht mehr erlaubt ist und reduziert werden muss. Es stellt sich also ohnehin die Frage, wie trotz Reduktion der Wirkstoffe eine ausreichende Blutzuckersenkung erfolgen soll, um den zweifellos zu hohen HbA1c zu reduzieren.

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Hier erfahren Sie, wie letztendlich vorgegangen wurde:

Der Beginn einer Injektionstherapie setzt immer auch die Wahl und Entscheidung zwischen Insulin oder einem Inkretinagonisten voraus. Da der Pat. einen BMI von 36 hat, ein sehr stark erhöhtes kardiovaskuläres Risiko und eine chronische Nierenerkrankung (CKD), würde er von einem Inkretinagonisten (GLP-1-Rezeptoragonisten) bezüglich Endpunktreduktion und auch renal mehr profitieren als von Insulin. Es ist in diesem Zusammenhang immer wichtig festzuhalten, dass Insulin letztlich ein wichtiger Wirkstoff zur Blutzuckersenkung ist, aber eben mehr nicht kann. Eine Reduktion kardiovaskulärer oder renaler Endpunkte über die BZ-Senkung hinaus ist für Insulin nie gezeigt worden.

Therapieanpassung und weiterer Verlauf

Die Notwendigkeit der Injektionstherapie wird mit dem Patienten ausführlich besprochen. Die erste Reaktion seinerseits ist eher ablehnend. Im Gespräch wird aber dann erläutert, dass Injektionstherapie nicht unbedingt Insulin bedeutet und dass es bei Inkretinagonisten die Option der einmal wöchentlichen Injektion gibt, was der Patient sehr begrüßt und dann direkt auch zustimmt. 

Bei Herrn M. wird also die Injektionstherapie mit Dulaglutid 1,5 mg einmal pro Woche begonnen, das bis zu einer eGFR von 15 ml/min ohne Dosisanpassung eingesetzt werden kann. Damit ist vom DPP-IV-Hemmer Sitagliptin kein Effekt mehr zu erwarten und dieser wird abgesetzt. 

Wichtig ist die Dosisanpassung von Metformin und Empagliflozin an die aktuelle Nierenfunktion (eGFR 39,9 ml/min). Bei einer eGFR zwischen 30 und 45 ml/min darf Metformin nur noch in der Dosis 2x500 mg gegeben werden. Bei unter 30 ml/min müsste es abgesetzt werden. Empagliflozin hingegen ist auch weiterhin unverzichtbar zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos bei bekannter KHK/Stents, aber genauso wichtig zur Behandlung der CKD, da es als SGLT2-Hemmer ausgeprägt nephroprotektive Eigenschaften hat und Nierenfunktion erhalten kann. Allerdings gilt dies ausschließlich für die Tagesdosis von 10 mg. Die stärkeren Tabletten von Empagliflozin mit 25 mg Wirkstoff sind nur zur Behandlung des Typ-2-Diabetes und bei einer eGFR über 60 ml/min zugelassen. Bei Herrn M. darf also die bisherige Therapie mit Empagliflozin 25 mg nicht fortgeführt werden, sondern muss auf 10 mg pro Tag reduziert werden. Die veränderte Medikation von Herrn M. ist also wie folgt: 

  • Metformin 500 mg 1-0-1
  • Empagliflozin 10 mg 1-0-0
  • Dulaglutid 1,5 mg einmal pro Woche s.c.

Weiterer Verlauf

Die Medikation wird seitens des Patienten gut vertragen. Herr M. stellt sich drei Monate später mit neuem Labor von seinem Hausarzt wieder vor. Der HbA1c hat sich sehr schön verbessert und beträgt jetzt 7,1 % (Vorwert 8,2 %) bei einem Nüchtern-Blutzucker im Labor von 122 mg/dl. Das Kreatinin ist konstant mit 1,66 mg/dl, entsprechend einer eGFR von 41,1 ml/min. Weiterhin perfekt eingestelltes LDL mit 41 mg/dl. 

Fazit

Gerade bei adipösen Patienten mit erhöhtem HbA1c und kardiovaskulären und/oder renalen Begleiterkrankungen sollte die erste Injektionstherapie bevorzugt aus einem GLP-1-Rezeptoragonisten bestehen. Bei allen Patienten mit CKD ist es wichtig, regelmäßig das Kreatinin und die eGFR zu bestimmen, um rechtzeitig, korrekt und konform zu den in der Zulassung enthaltenen Dosisbestimmungen die orale antidiabetische Therapie anpassen zu können. Je relevanter und schwerwiegender die Begleiterkrankungen von Patienten mit Typ-2-Diabetes an Herz, Gefäßen und Niere sind, desto wichtiger ist es, das Risiko reduzierende Potential von SGLT2-Hemmern und Inkretinagonisten auszuschöpfen. Eine Kombinationstherapie aus beiden Wirkprinzipien ist für diese Patienten oftmals sinnvoll und empfehlenswert.

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Über den Autor

Dr. med. Marcel Kaiser ist niedergelassener Facharzt für Innere Medizin in einer eigenen Diabetologischen Schwerpunktpraxis in Frankfurt.