Auch Jahre nach Bekanntwerden solcher Praktiken sind Einflussnahmen von Krankenkassen auf Arztdiagnosen immer noch üblich. Ein Großteil der gesetzlichen Kassen setzt nach Informationen des Nachrichtenmagazins Der Spiegel trotz eines Verbots weiter fragwürdige Softwareprogramme für lukrative Arztdiagnosen ein.
Laut Techniker Krankenkasse gaben 82 Prozent von 1000 befragten Medizinern an, schon von Kassen bei ihren Diagnosen beeinflusst worden zu sein.
Dabei geht es um die Diagnose schwerer oder chronischer Krankheiten, für die die Kassen viel Geld aus dem Gesundheitsfonds erhalten. Aus finanziellen Interessen lassen die Kassen Patienten von Ärzten "kränker" machen, als sie tatsächlich sind, lautet der Vorwurf.
Im September hatte das Bundesversicherungsamt die Kassen um Auskunft zu entsprechenden Programmen gebeten, die in Arztpraxen angewendet werden. Laut Spiegel räumten zwei Drittel der Kassen ein, auch möglicherweise nicht legale Programme einzusetzen. Diese würden nun angepasst.
Seit April gilt ein Verbot der Beratung zur Kodierberatung, also zur Zuordnung von Krankheiten zu vorgegebenen möglichen Diagnosen. Anlass waren umstrittene Verträge, in denen gesetzliche Kassen mit Ärztevereinigungen vereinbaren, die Diagnose schwerer oder chronischer Krankheiten besonders zu honorieren. Von 55 dieser Verträge bundesweiter Kassen wurden laut Spiegel nur 35 beendet.
Anfang November berichtete bereits die Techniker Krankenkasse unter Verweis auf eine von ihr in Auftrag gegebene Erhebung unter Medizinern, dass Kassen ungeachtet der Gesetzesverschärfung weiter Einfluss auf die Kodierung der Diagnosen ihrer Versicherten nähmen.
Bereits 2009, kurz nach dem Start des Gesundheitsfonds, der Geldsammel- und -verteilstelle der Kassen, hatte der damalige Chef des Bundesversicherungsamts, Josef Hecken, der Deutschen Presse-Agentur gesagt, dass einzelne Kassen mit Arztgruppen bestimmte Diagnosestellungen vereinbaren.