Zwei Drittel der 2,6 Millionen Pflegebedürftigen werden zu Hause von Angehörigen betreut. Das ist eine immense Leistung für den Sozialstaat. Sie wird aber nicht gebührend gewürdigt.
Die Bundesregierung muss aus Sicht des AOK-Bundesverbands die Millionen Angehörigen von Pflegebedürftigen viel besser unterstützen. Deren gesellschaftliche Wertschöpfung belaufe sich zurückhaltend gerechnet auf rund 29 Milliarden Euro pro Jahr, sagte der Verbandsvorsitzende Jürgen Graalmann am Donnerstag in Berlin. Sie erbrächten damit die größte Pflegeleistung in Deutschland.
Laut Statistischem Bundesamt wurden Ende 2013 mehr als zwei Drittel der 2,63 Millionen pflegebedürftigen Menschen zu Hause versorgt. Um 1,25 Millionen Pflegebedürftige kümmerten sich ausschließlich Angehörige. Weitere 616 000 Betroffene lebten ebenfalls zu Hause. Die wurden von Angehörigen versorgt oder zusammen mit ambulanten Pflegediensten.
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, sagte zum Auftakt des Deutschen Pflegetages, zum einen müssten die pflegenden Angehörigen entlastet werden, und zum anderen der Pflegeberuf aufgewertet werden – unter anderem durch gutes Einkommen, gute Arbeitsbedingungen und öffentliche Wertschätzung. Der CDU-Politiker plädierte deshalb für flächendeckende Tarifverträge, um in der Pflege eine angemessene Bezahlung zu erreichen.
AOK-Chef Graalmann sagte, die Aufwertung der professionellen Pflege allein werde nicht ausreichen, um den drohenden Pflegenotstand zu bewältigen. Das Potenzial pflegender Angehöriger von derzeit 1,7 Millionen werde wieder sinken. Er kritisierte, dass die Angehörigen von der Anhebung des Pflegebeitrags in zwei Schritten um insgesamt 0,5 Prozentpunkte auf dann 2,55 Prozent kaum profitierten. Die Anhebung entspricht etwa fünf Milliarden Euro.
Laumann forderte unterdessen in der Nordsee-Zeitung die Kommunen auf, mehr für den Ausbau der Tagespflege tun. Er plädierte dafür, Einrichtungen zur Tagespflege “möglichst nahe an den Menschen” zu schaffen. Nach Laumanns Vorstellungen müssen sich die Kommunen auch mehr um eine Infrastruktur für hochbetagte Menschen kümmern.
Der Sozialverband VdK beklagte, zentrale Herausforderungen seien trotz Pflegestärkungsgesetz ungelöst. Dazu zählten ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff, die Stärkung von Prävention zur Vermeidung dauerhafter Pflegebedürftigkeit und das ungerechte Nebeneinander von privater und gesetzlicher Pflegeversicherung.
Der Präsident des Deutschen Pflegerats, Andreas Westerfellhaus, kritisierte, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) könne über Nacht ein Gesetz zur Steigerung der Attraktivität der Bundeswehr auf den Weg bringen. Für den Pflegebereich scheitere das am politischen Klein-Klein.
Pflegerat und AOK-Bundesverband sind Veranstalter des dreitägigen Pflegetages. Auf dem Kongress beraten Vertreter von Pflege, Wirtschaft und Politik Herausforderungen der Branche.
Text: dpa /fw