Der Arzt und Epidemiologe Professor Karl Lauterbach wird neuer Gesundheitsminister. Dem Mahner in der Pandemie wurde zuletzt eine fast plebiszitäre Zustimmung zuteil.
Der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Morgen des 06.11. die künftigen SPD-Minister:innen seines Kabinetts bekannt gegeben. Danach wird der Arzt und Epidemiologe Karl Lauterbach neuer Gesundheitsminister.
Damit übernimmt Lauterbach eines der schwierigsten Ressorts der neuen Bundesregierung. Höchste Priorität wird dabei die Bekämpfung der COVID-19-Pandemie haben, die mit der vierten Welle und einer Sieben-Tage-Inzidenz von durchschnittlich weit über 400 einen neuen Höhepunkt erreicht hat. Eine der ersten gesetzgeberischen Aufgaben dürfte es sein, die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine einrichtungsspezifische und schließlich allgemeine Impfpflicht gemeinsam mit Rechts- und Innenpolitiker:innen der Koalition zu entwickeln.
Über die Grenzen seiner Partei hinaus hat sich Lauterbach mit seiner Expertise und seinen durchweg zutreffenden Prognosen im Verlauf der Pandemie Anerkennung in der Ärzteschaft, der Fachwelt und auch in der jetzt oppositionellen Union erworben. Noch am Abend des 05.11. sagte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in der Sendung "Anne Will": "Wir brauchen einen Gesundheitsminister, der keine 100 Tage Zeit hat, sich einzuarbeiten."
Die Zustimmung, die Lauterbach in den letzten Monaten insbesondere auch aus der Ärzteschaft entgegenschlug, hat keineswegs Tradition – im Gegenteil. Als Wissenschaftler und Analytiker galt Lauterbach lange Zeit als eine Art Nestbeschmutzer, der die Schwächen des deutschen Gesundheitssystems schonungslos offenlegte. Als Mitglied des Gesundheits-Sachverständigenrates war Lauterbach – der in Düsseldorf Medizin studiert und promoviert sowie anschließend in Havard einen Abschluss in Epidemiologiy, Health Policy and -Management als Scientiae Doctor (Sc.D) erreichte – maßgeblicher Mitautor des Gutachtens zur Über-, Unter- und Fehlversorgung (2000/2001), das gravierende und systematischen Qualitätsmängel des deutschen Gesundheitswesens und verschwenderischen Umgang mit knappen Ressourcen offenlegte. Es war politisch eines der nachhaltigsten Gutachten des Rates, als dessen Folge unter anderem auch die heute umstrittenen Fallpauschalen in Krankenhäusern eingeführt wurden, auch dies in der Ära Ulla Schmidt (2001 bis 2009) begleitet durch die Expertise Lauterbachs.
Der heute 58-Jährige wurde in Oberzier bei Düren als Sohn eines Molkereiarbeiters geboren. Die Herkunft aus einfachen Verhältnissen war prägend: Nach der Grundschule hatte der Arbeitersohn zunächst nur eine Empfehlung für die Hauptschule erhalten und wechselte erst später zur Realschule und zum Gymnasium. Bis 2001 war Lauterbach Mitglied der CDU und während seines Studiums mit Stipendien der Konrad-Adenauer-Stiftung gefördert worden. 2001 wurde Lauterbach Mitglied der SPD, 2005 wurde er im Wahlkreis Leverkusen/Köln IV als Bundestagsabgeordnete mit einem Direktmandat gewählt, das er in allen folgenden Bundestagswahlen verteidigte.