Vor allem auf dem Land fehlen Allgemeinmediziner. Die neue Chefin der Gesundheitsministerkonferenz, Bätzing-Lichtenthäler (SPD), setzt daher auch auf technische Hilfsmittel, um dem Mangel zu begegnen.
Der Ärztemangel auf dem Land kann nach Ansicht der Vorsitzenden der Länder-Gesundheitsministerkonferenz, Sabine Bätzing-Lichtenthäler (39, SPD), mit Telemedizin gemildert werden. Dabei brauchen Patienten zum Beispiel fürs Blutdruckmessen nicht mehr zum Arzt zu gehen. “Die Telemedizin wird nicht das Patentrezept sein, um dem demografischen Wandel zu begegnen”, sagte die rheinland-pfälzische Ressortchefin in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. “Aber es wird uns helfen können, um ärztliche Versorgung weitestgehend sicherzustellen.” Bei der Telemedizin schalten sich etwa Patient und Mediziner per Computer und Webcam zusammen. Auch medizinische Daten können übertragen werden.
Frage: Welche Schwerpunkte sehen Sie für den Vorsitz der Gesundheitsministerkonferenz, den Sie zum 1. Januar übernommen haben?
Antwort: Wir wollen E-Health (Behandlung mit Hilfe von elektronischem Datenaustausch) fördern. Das Ziel von Bundesgesundheitsminister Gröhe (CDU) ist, dass das Gesetz für E-Health 2016 in Kraft tritt. Es gibt Widerstände aufseiten der Ärzte und der Kassen, aber das Gesetz bietet riesige Chancen. Ich will bei den Kollegen der anderen Länder dafür werben. Die Telemedizin wird nicht das Patentrezept sein, um dem demografischen Wandel zu begegnen, aber es wird uns helfen können, ärztliche Versorgung weitestgehend sicherzustellen. Das bedeutet nicht, dass wir nachlassen, mehr Hausärzte oder Fachärzte auf das Land zu bekommen, aber es kann eine Unterstützung sein. Natürlich gibt es Bedenken zum Datenschutz und die Skepsis vor einem gläsernen Patienten. Wenn ich aber auf der anderen Seite sehe, wie ich dem Patienten helfen kann, indem ich seine Vitaldaten schon im Krankenwagen an die Klinik übermittle und Zeit gewinne beim Notfall oder indem ich die vielleicht lebensrettende Information über meine Blutgruppe auf einer elektronischen Gesundheitskarte hinterlege, dann ist das absolut ein Vorteil. Vor allen Dingen in Relation dazu, wie leichtfertig manche Leute ihre persönlichen Daten Google und Facebook anvertrauen.
Frage: Können Sie ein Beispiel nennen, wie Telemedizin funktionieren kann?
Antwort: Wir haben in Rheinland-Pfalz zum Beispiel das Projekt Telemonitoring für Patienten (EHeR), die an Herzinsuffizienz erkrankt sind, wo man nicht zum Arzt gehen muss für eine Blutdruckmessung. Je nachdem, wo der Arzt seine Praxis hat, ist ein Besuch ja sehr aufwendig. Das könnte auch für andere Länder interessant sein. Wir können Menschen heute den Wunsch erfüllen, möglichst lange in den eigenen vier Wänden zu bleiben. Das erspart ihnen die Unterbringung in einer Einrichtung.
Frage: Also ist das auch ein Kostenfaktor?
Antwort: Klar.
Frage: Ist die Gefahr des Ärztemangels auf dem Land damit behoben?
Antwort: Man kann ihn damit nicht stoppen, aber die Konsequenzen etwas abmildern. Man muss nicht für jede kleinste Untersuchung 30 Kilometer weit fahren. Gegen den Hausärztemangel und den Fachärztemangel – der wird uns ereilen, wenn wir uns die Altersstruktur anschauen – müssen wir weitere Maßnahmen ergreifen. Der Bund hat einen Masterplan 2020 aufgestellt, wo es darum gehen soll, wie sehen Studium und Praxis aus, wie kann die Arbeit auf dem Land attraktiver werden. In Rheinland-Pfalz gibt es parallel dazu einen Masterplan für Hausärzte, wo wir zum Beispiel Niederlassungen fördern. Wir werden in Mainz einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin einrichten.
ZUR PERSON: Sabine Bätzing-Lichtenthäler (39) ist seit November 2014 Gesundheits- und Sozialministerin in Rheinland-Pfalz. Die gelernte Diplom-Verwaltungswirtin war von 2002 bis 2014 Bundestagsabgeordnete. Als Bundesdrogenbeauftragte von 2005 bis 2009 wurde sie bundesweit bekannt. Bätzing-Lichtenthäler ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Text und Foto: dpa/fw