Nach Verkehrsunfällen ist die Selbsttötung die zweithäufigste Todesursache bei Jugendlichen. Gefährdete können bei einer Online-Beratung Hilfe von Gleichaltrigen bekommen.
Auch in Bayern helfen nun Jugendliche anderen jungen Menschen, die nicht mehr leben wollen. Das Online-Beratungsprogramm "U25" der Caritas richtet sich an junge Menschen in persönlichen Krisen, wie Leiterin Dagmar Held erklärt. Es wird vom Gesundheitsministerium gefördert. Gleichaltrige - sogenannte Peers - unterstützen die Suizidgefährdeten per E-Mail.
"Jugendliche finden oft eine andere Sprache und einen anderen Zugang", sagt Held. Die Kunst bei der Beratung sei, behutsam, aber klar vorzugehen. Jede E-Mail werde, bevor sie verschickt wird, von einer Betreuerin gelesen.
Bei Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren ist die Selbsttötung nach Angaben des bayerischen Gesundheitsministeriums die zweithäufigste Todesursache nach Verkehrsunfällen. Bundesweit sterben jedes Jahr etwa 500 Jugendliche durch Suizid.
"Es hat viel mit Druck in der Schule zu tun oder dass junge Menschen sich nicht wohlfühlen mit sich - dass sie glauben, bestimmte Kriterien nicht zu erfüllen", sagt Held. Dabei sei der Suizid oft ein Tabu-Thema, über das sie mit niemandem sprechen können. Und wenn sie es doch täten, stießen sie oft auf taube Ohren oder Überreaktionen aus Besorgnis.
Das Konzept "U25" gibt es bereits seit dem Jahr 2002. Bundesweit beraten etwa 180 Jugendliche an zehn Standorten Gleichaltrige. Im vergangenen Jahr entstanden laut Held rund 5900 Mail-Kontakte. Seit Anfang des Monats gibt es auch in Bayern sechs Berater zwischen 17 und 22 Jahren. "Langfristig wollen wir 15 bis 20 Peers haben." Nürnberg ist bislang der einzige "U25"-Standort im Freistaat.
Nach der Anmeldung auf der Internetseite bekommen die hilfesuchenden Jugendlichen einen Spitznamen. Zudem sind ihre E-Mails nicht zurückzuverfolgen. Innerhalb von zwei Tagen antwortet zunächst ein hauptamtlicher Mitarbeiter den jungen Menschen. Die "Peers" haben dann sieben Tage Zeit, ihnen zu schreiben.
Bei der Beratung komme es darauf an, behutsam zu sein und die Jugendlichen nicht sofort zu verschrecken, erklärt die Caritas-Expertin. "Denn wenn man zu schnell mit einem Ratschlag kommt, ist es das, was sie sonst auch erleben." Für die Betroffenen sei es wichtig, mit ihren Problemen nicht mehr allein zu sein: "Dass man es nicht nur im eigenen Kopf bewegt, ist schon mal der erste Schritt." Die Ausbildung der "Peers" umfasst 32 Stunden an zehn Tagen. Sie lernen dabei etwa, wie man die Mails schreibt, und bekommen viel Wissen über psychosoziale Krisen.
Der Zeitaufwand für die Jugendlichen kann durchaus hoch sein. "So eine Mail zu schreiben dauert sicher ein bis zwei Stunden." Da die Jugendlichen die Anfragenden über einen längeren Zeitraum begleiten sollen, soll jeder von ihnen nur ein bis drei Kontakte pflegen.
Eine statistische Erfolgskontrolle gibt es zu dem Programm nicht. "Es melden sich aber immer wieder Betroffene, die sagen, dass der Kontakt ihr Leben gerettet hat", sagt Held. Manche Experten sehen die Online-Beratung durch Gleichaltrige dennoch skeptisch, weil sie ihrer Ansicht nach eher in eine Sackgasse führt: Bei schweren Problemen könnten Laien eine intensive psychologische Beratung nicht ersetzen.