Die seit den 1990er Jahren erheblich verbesserte Luftqualität in US-Städten ist möglicherweise nicht genug, um eine normale Lungenfunktion bei Kindern sicherzustellen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie vom Beth Israel Deaconess Medical Center (BIDMC), die unter der Leitung von Pulmonologin und Intensivmedizinerin Mary B. Rice durchgeführt wurde. Die Ergebnisse wurden unlängst im American Journal of Respiratory Critical Care, einer Zeitschrift der American Thoracic Society, veröffentlicht.
Rice und ihre Kollegen stellten im Rahmen ihrer Untersuchungen fest, dass Kinder, die einer höheren Belastung durch Luftverschmutzung ausgesetzt waren, eine im Mittel schlechtere Lungenfunktion als ihre Altersgenossen in weniger belasteten Gebieten hatten. Die Untersuchungen schlossen im Speziellen Verschmutzungen durch Feinstaub (PM2,5) und Ruß ein. Im Alter von acht Jahren hatten Kinder, die 100 Meter von einer großen Straße entfernt lebten, eine um durchschnittlich sechs Prozent schlechtere Lungenfunktion als Kinder, die 400 Meter oder weiter entfernt wohnten.
Die Forscher untersuchten 614 Kinder von Müttern, die am sogenannten Project Viva teilgenommen haben. Dabei handelt es sich um eine langfristige Studie, welche zwischen 1999 und 2002 die Gesundheit von Frauen und ihren Kindern im östlichen Massachusetts überwachte. Die Autoren bestimmten bei jeder teilnehmenden Mutter den jeweiligen Abstand ihres Wohnortes bis zur nächsten Hauptverkehrsstraße. Mit Hilfe von Satellitenmessungen maßen die Wissenschaftler die Belastung durch PM2.5 und mit einem Modell aus 148 Messstationen die Belastung durch schwarzen Kohlenstoff. Darauf basierend schätzten sie im Anschluss die Exposition der einzelnen Kinder gegenüber PM2,5 und Ruß im ersten Lebensjahr, über ihre Lebensdauer hinweg und im Jahr vor ihrer Lungenfunktionsprüfung.
Die amerikanische Regierung beschloss in den 1990er Jahren strenge Luftqualitätsvorschriften. Rice und ihr Team stellten sich die Frage, ob diese Beschlüsse tatsächlich ausreichen, um auch die Lungen von Kindern effektiv zu schützen. Die Belastung durch Feinstaub ging in Boston zwischen 1996 und 2006 um mehr als 30 Prozent zurück. Dennoch stellte das Team fest, dass Kinder, die PM2,5 stärker ausgesetzt waren, nach wie vor eine im Durschnitt weniger gute Lungenfunktion vorwiesen. Auch das Risiko für klinisch relevante Einschränkungen der Lunge war bei Kindern mit entsprechender Exposition erhöht.
Im Alter von acht Jahren wurden alle Studienteilnehmer einem Lungenfunktionstest unterzogen. Das Team fand dabei heraus, dass Kinder, die in der Nähe von größeren Autobahnen lebten oder eine ansonsten erhöhte Exposition gegenüber PM2,5 oder Ruß erfuhren, eine insgesamt schlechtere Lungenfunktion zeigten als jene Kinder, die weniger stark mit Luftverschmutzungen in Kontakt gekommen sind. Darüber hinaus hatten Kinder, in deren Umfeld nach dem ersten Lebensjahr größere Verbesserungen der Luftqualität gemessen wurden, eine im Mittel besser funktionierende Lunge als Kinder, in deren Umgebung sich die Luftqualität nicht so sehr verbesserte.
Diese Erkenntnisse erhöhen die Dringlichkeit für weitere Untersuchungen, um die Auswirkungen dieser Low-Level-Expositionen auf die menschliche Gesundheit besser zu verstehen.
Reis und ihre Kollegen planen ihre Forschung bis in die Adoleszenz ihrer Teilnehmer fortzusetzen und ihre Gesundheit somit weiterhin zu verfolgen. Sie hoffen auf diesem Weg zu erfahren, ob die Vorteile von sauberer Luft in der Kindheit über die gesamte Lebensspanne fortbestehen. Es wird sich also zeigen, ob die Kinder, die in ihrer Vergangenheit die größten Verbesserungen der Luftqualität erfahren haben, auch weiterhin eine bessere Lungenfunktion als ihre Genossen aus den Teenager-Jahren vorweisen können.
Text: esanum/ pvd