Dass die Interaktion zwischen Nährstoffen und Arzneimitteln nicht unterschätzt werden sollte, zeigte sich auf einer Vortragssitzung auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM) im Kongress Palais in Kassel.
Schon eine Arzneimitteltherapie im Rahmen der Ernährungstherapie birgt verschiedene Risiken, wie Prof. Dr. Roland Radzivill, Leiter der Apotheke des Klinikums Fulda und des Patienten-Beratungszentrums deutlich machte. Hauptsächlich, so Radzivill, treten Probleme auf bei:
In der der Regel sind aber Arzneimittel die Ursache für Probleme in der Ernährungstherapie.
Arzneimittel, so Radzivill, beeinflussen die Nährstoffaufnahme, vor allem die Vitaminaufnahme. So kommt es zu einer verringerten Aufnahme der Vitamine D, K und B6 und B12 und auch zu einer Störungen des Natriumhaushaltes (va. durch Diuretika, Antidepressiva, Antipsychotika und NSARs).
Weitere Auswirkungen verschiedener Arzneimittel sind:
Hinzu kommt bei der Arzneimitteltherapie der Aspekt der Polypharmazie: Also den gleichzeitigen Gebrauch von 5 und mehr Medikamenten/Wirkstoffen pro Patient. Eine exzessive Polypharmazie liegt beim Gebrauch von ≥ 10 Arzneimitteln vor. Im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen gilt folgende Faustformel: Ab 5 Arzneimitteln/Wirkstoffen verdoppelt sich das Nebenwirkungsrisiko und ab 7 bis 8 Arzneimitteln verdreifacht es sich.
Arzneimittel nehmen Einfluss auf den Ernährungstatus eines Patienten durch folgende Faktoren:
Daraus ergibt sich ein erhöhtes Risiko für Gewichtsverlust. Bei Alterspatienten, die ≥ 5 Arzneimittel einnehmen ist das Risiko Gewicht (4,5 kg/Jahr) zu verlieren um das Dreifache erhöht. Das führt zu einer geringeren Energieaufnahme im Alter. Bedenken sollte man aber auch, dass Polymedikation auch ein Ausdruck von höherer Morbidität ist.
Wie lassen sich die Auswirkungen einer Arzneimitteltherapie auf den Ernährungsstatus verringern? Radzivill rät zu folgendem Vorgehen:
Arzneimittel haben hauptsächlich Einfluss auf die Nahrungsaufnahme, da sie die Pharmakokinetik und nicht die –dynamik verändern. Sie wirken sich vor allem auf Resorptionsvorgänge aber auch auf den Appetit aus. Deshalb sollte man auch bei(supplementierender) Trinknahrung und enteraler Ernährung vorsichtig sein. Wobei die parenterale Ernährung weniger betroffen ist.
Dass die Interaktionen zwischen Nahrungsmitteln/Nahrungsergänzungsmitteln bei Krebspatienten mit oralen Antitumortherapeutika gravierend sein können, das machte Dr. Jürgen Barth, Apotheker für Klinische Pharmazie und Studienkoordinator am Universitätsklinikum Gießen, deutlich. Zur oralen Antitumortherapie stehen 70 Therapeutika zur Verfügung. Anwendungsfehler finden dabei immer noch viel zu wenig Beachtung. So ist der Zeitpunkt der Einnahme der Mittel ausgesprochen relevant, werde aber in der Praxis viel zu wenig beachtet, betont Barth.
Nahrung oder Nahrungsbestandteile können zu nachteiligen Reaktionen führen z.B.:
Barth empfiehlt zur Einnahme grundsätzlich Leitungswasser zu trinken und das in ausreichender Menge (mind. 100 ml) und hinreichend großen Schlucken zu tun. Gerade bei schwerkranken Patienten, die in Rückenlage ihre Medikamente einnehmen müssen besteht sonst die Gefahr, dass die Substanz nicht richtig geschluckt wird und ein Teil in der Speiseröhre verbleibt.
Vielfach unterschätzt werden immer noch die Effekte von Grapefruit-Inhaltsstoffen auf orale Medikamente. Verursachen kann das ua.:
Dabei gilt: Je niedriger die Bioverfügbarkeit umso stärker der Inhibitoreffekt (z.B. Simvastatin, Nisoldipin BV < 5%)
Relevante Lebensmittelinteraktionen der Bioverfügbarkeit finden sich bei folgenden Medikamenten:
Starke Interaktionen mit Antitumortherapeutika verursachen auch das Johanniskraut und der rote Reis (Red Yeast Rice). Ein Worst Case Szenario der Wechselwirkungen könnte nach Barth dann so aussehen:
Grundsätzlich beeinflussen Nahrungsmittel, Nahrungsergänzungsmittel (NEM), sonstige Arzneimittel und Genussmittel die Wirkung eines Zytostatikums. Bei den Nahrungsmitteln sind das va. Grapefruit, Bitterorangen, Klementinen, Schokolade, Käse, Hering, Hefe und Grüner Tee, bei den NEM Antioxidantien, Vitamine, Red Yeast Rice. Bei den sonstigen Arzneimitteln OCT, TCM und Phytopharmaka und bei den Genussmitteln Alkohol und Tabak.
Auch bei Psychotherapeutika gibt es ernährungstherapeutisch relevante Nebenwirkungen – das hob Prof. Dr. Martin Smollich, klinische Pharmakologie und Pharmakonutrition der Praxishochschule Rheine hervor. Grundsätzlich sind bei Psychopharmaka metabolische Nebenwirkungen sehr häufig. Darunter fallen Appetitsteigerung/Gewichtszunahme, Hyperurikämie, Fettstoffwechselstörung, Insulinresistenz, Morbidität und Mortalität.
Smollich machte aber auch deutlich, dass die Ursache dafür nicht allein die Psychopharmaka seien: Auch eine Depression selbst erhöht das Risiko für eine Gewichtszunahme und eine Insulinresistenz, es gibt komplexe pathophysiologische Zusammenhänge. Weil es unter Psychopharmaka sowohl zu einer Gewichtsreduktion als auch zu massiven Gewichtszunahmen kommen kann, ist eine wirkstoffspezifische Differenzierung nötig.
Nehmen Patienten Psychopharmaka ein, sollte man in der Ernährungstherapie auf folgende Konsequenzen vorbereitet sein:
Weiterführende Artikel finden Sie in unserem Diabetes Blog.
Quelle:
Kongress der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin, Kongress Palais Kassel, 21. Juni bis 23. Juni 2018
Vortragssitzung VDOE: Interaktion zwischen Nährstoffen und Pharmaka