Die nach der Wende gestiegene Zahl von Raucherinnen in Ostdeutschland wird nach Einschätzung des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock zu einer dramatischen Steigerung der Sterblichkeit bei Frauen im Osten führen. Momentan liege die allgemeine Sterblichkeit der 50- bis 69-Jährigen im Osten noch unter der im Westen. Doch in 20 Jahren würden die Raten in Ostdeutschland die im Westen um fast zehn Prozent übersteigen, sagte Institutsdirektor Mikko Myrskylä.
"Auch alle anderen Raucherkrankheiten werden häufiger, etwa Arterienverkalkung, Herzinfarkte oder weitere Krebsarten." Er forderte eine aggressivere Anti-Raucher-Politik. Damit könne der starke Anstieg des Tabakkonsums unter ostdeutschen Frauen eingedämmt werden.
Am stärksten wirken sich Myrskylä zufolge die Veränderungen bei 50- bis 54-jährigen Frauen aus. 2016 lag im Westen die Zahl der Todesfälle durch Lungenkrebs in dieser Altersgruppe bei 32 pro 100 000 Frauen und hatte damit ein Maximum erreicht, im Osten waren es nur 26 Frauen. Hintergrund sei, dass die Anfang-Fünfzigerinnen im Westen bis zum 40. Lebensjahr 10,6 Jahre geraucht haben, deutlich mehr als im Osten mit 8,8 Jahren. Das werde sich jedoch umdrehen: Im Jahr 2036 werden die dann 50- bis 54-jährigen Frauen im Westen nur 7,0 Jahre geraucht haben, im Osten jedoch 10,6 Jahre. Entsprechend werden dann voraussichtlich 21 von 100 000 West-Frauen in diesem Alter an Lungenkrebs sterben, im Osten dagegen 31.
"Die Entwicklung kommt nicht überraschend, inzwischen rauchen mehr Frauen als Männer", sagte der Chef der Abteilung Pneumologie an der Unimedizin Rostock, Johann Christian Virchow. Dazu gebe es weiter die sehr perfide und nachhaltig wirksame Raucherwerbung und zusätzlich als Einstiegsdroge die E-Zigaretten.» Er unterstütze die Forderung Myrskyläs nach einer schärferen Anti-Raucher-Politik. "Die wirksamste Maßnahme zur Verhinderung von Rauch-Todesfällen war das Rauchverbot in Kneipen." Das sei in internationalen Studien ausreichend belegt.
Früher sei Lungenkrebs bei Frauen sehr ungewöhnlich gewesen, sagte Virchow. Das habe sich geändert. "Es gibt immer mehr Frauen mit Lungenkrebs, und sie werden immer jünger." Er kenne Fälle von 40-jährigen Raucherinnen mit einem Lungentumor. Die Therapieaussichten seien weiter gering. "Die meisten Patienten kommen zu spät, um geheilt zu werden. 80 Prozent seien nur versorgend, also palliativ zu behandeln."