Unsere Gesundheit ist in hohem Maß von einer Vielzahl verschiedener Bakterien abhängig, die unseren Verdauungstrakt besiedeln. Für unser Wohlbefinden letztendlich entscheidend ist dabei oft, wie unser Immunsystem diese toleriert und wie es auf pathogene Bakterien antwortet, um Krankheiten zu verhindern. In einer vor kurzer Zeit veröffentlichten Studie(DOI: 10.1038/ncomms9945), beschreiben Wissenschaftler vom Instituto Gulbenkian de Ciencia (RK, Portugal), wie sich die Zusammensetzung von Darmbakterien verändert, wenn das Immunsystem des Wirtes geschwächt ist und wie schnell und vorhersehbar die Anpassungsprozesse der Bakterien unter solchen Bedingungen stattfinden. Basierend auf ihren Erkenntnissen kommen die Forscher zu dem Schluss, dass die Behandlung von Darmkrankheiten, welche durch ein gestörtes Immunsystem ausgelöst werden, eine personalisierte Therapie erfordert, welche die individuelle Zusammensetzung der Darmbakterien eines Menschen berücksichtigt. Die Ergebnisse wurden im Journal Nature Communications publiziert.
Die Studie, unter der Leitung von Isabel Gordo und Jocelyne Demengeot, ist die erste experimentelle Arbeit, die zeigen konnte, dass das Immunsystem die Evolution von Darmbakterien direkt beeinflusst. Unser Verdauungstrakt stellt für Bakterien ein hoch komplexes Umfeld dar. Damit die Mikroben die vielen verschiedenen Stimuli überdauern können, müssen sie sich ständig anpassen und weiterentwickeln. Besonders unsere täglich wechselnden Malzeiten sind dabei eine große Herausforderung. Der fortdauernde Überlebenskampf resultiert in einer immer größer werdenden intestinalen Bakterienvielfalt, welche von unserem Immunsystem überwacht wird, um das ausbrechen von Erkrankungen zu verhindern. Schon vor dieser Studie war bekannt, dass Krankheiten immer dann entstehen, wenn das Immunsystem versagt und es zu einer Störung oder einem Ungleichgewicht in der Gemeinschaft der Darmbakterien kommt. Eine direkte oder indirekte Verbindung zwischen Immunsystem und der Evolution von Bakterien war bisher jedoch noch nicht bekannt oder nachgewiesen worden.
Die portugiesische Arbeitsgruppe untersuchte im Rahmen ihrer Studie, wie sich Escherichia coli (E. coli), eines der ersten Bakterien, die unseren Darm nach der Geburt besiedeln, in gesunden Mäusen und in Mäusen ohne Lymphozyten entwickelt und verhält. Währenddessen in den gesunden Mäusen sehr schnelle metabolische Anpassungen auf die Diät der Tiere beobachtet werden konnten, fanden die Prozesse in den immunschwächeren Mäusen deutlich langsamer statt. Die Wissenschaftler stellten darüberhinaus fest, dass die beobachteten und anscheinend vorteilhaften Anpassungsprozesse der Bakterien über alle gesunden Mausindividuen hinweg gleich waren. In den Tieren ohne Lymphozyten beobachtete man hingegen große interindividuelle Unterschiede, was es sehr schwierig machte den Weg der Bakterienevolution hier verlässlich vorherzusagen. Joao Batista, Doktorand und Erstautor der Studie, meint, dass diese Beobachtungen das Ergebnis bestimmter Veränderungen in der Gemeinschaft der Darmbakterien sind. Diese Veränderungen sind bei Individuen mit gesunden Immunsystem sehr ähnlich, während sie bei Tieren mit geschwächten Abwehrkräften recht unterschiedlich ausfallen.
Die Arbeit konnte zeigen, dass es möglich ist, die Evolution von zusammenlebenden Bakterien in gesunden Organsimen vorauszusagen, während dies bei Organismen mit geschädigtem Immunsystem nicht möglich ist. Aus diesem Grund könnte die Anwendung von generalisierten Therapien zur Behandlung von Menschen mit Darmerkrankungen nicht der beste Ansatz sein. Dies gilt für jene Pathologien, die durch ein gestörtes Immunsystem ausgelöst werden, wie zum Beispiel die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Anstelle der heutigen Therapiemethoden sollte man zukünftig personalisierte Behandlungsansätze in Betracht ziehen, welche die individuelle Darmflora eines jeden Manschens berücksichtigt.
Text: esanum /pvd
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