Keine üppige Bezahlung, keine einfache Klientel: Es gibt kaum noch verbeamtete AnstaltsärztInnen in Gefängnissen. Das Land greift zunehmend auf externe MedizinerInnen zurück. Diese haben hinter Gittern keinen leichten Job - aber aus Sicht des Landes auch einige Vorteile.
Rheinland-Pfalz hat immer weniger klassische Gefängnisärztinnen und -ärzte. Verbeamtet sind nur noch zwei: ein Arzt in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Zweibrücken und eine Ärztin im Gefängnis Frankenthal, wie das Justizministerium in Mainz mitteilt. "Früher hatte man einen Arzt pro JVA", sagt Ministeriumssprecher Christoph Burmeister.
Heute "üben zehn externe Mediziner auf Honorarbasis regelmäßig oder vertretungsweise die Funktion des Anstaltsarztes aus. Darüber hinaus existieren über 30 Honorarverträge mit externen Medizinern unterschiedlicher Fachrichtungen", ergänzt Burmeister. Hinzu kommen zwei festangestellte und drei externe Zahnärztinnen und Zahnärzte.
Außerdem gibt es in Rheinland-Pfalz das 2010 gebaute Justizvollzugskrankenhaus in Wittlich mit 68 Betten und externer medizinischer Versorgung. Hinter Gittern hat es eine internistische, chirurgische und psychiatrische Abteilung.
Rund 3.200 Menschen befinden sich laut Ministerium derzeit im rheinland-pfälzischen Justizvollzug. Es gebe landesweit acht Gefängnisse und zwei Jugendstrafanstalten. Die Gesamtkosten der Gesundheitsversorgung im Justizvollzug würden nicht eigens berechnet.
Für die sinkende Zahl klassischer Gefängnisärztinnen und -ärzte nennt Burmeister mehrere Gründe. Im ländlich geprägten Rheinland-Pfalz fehlten ohnehin Hausarztpraxen. Fachpersonal in der Allgemeinmedizin sei daher kaum für einen festen Job hinter Gittern zu gewinnen. Die Bezahlung sei hier "einer Besoldung außerhalb unterlegen". Zudem ist laut dem Sprecher "der Umgang mit manchen Gefangenen nicht immer einfach".
JVA-Ärztinnen und Ärzte hätten jedoch auch Vorteile im Vergleich zu Krankenhäusern und Hausarztpraxen: "Es bestehen geregelte Arbeitszeiten, es ist kein Abrechnungsaufwand analog den Praxen gegeben, der Budgetdruck der Krankenkasse besteht nicht und es kann vergleichsweise mehr Zeit für den einzelnen Patienten aufgewendet werden."
Ärzte hinter Gittern untersuchen neue Häftlinge, erfassen ihre Vorerkrankungen, Sport- und Arbeitsfähigkeit und bieten regelmäßige Sprechstunden an. Die Herausforderungen sind hoch: Manche Gefangene sind suizidgefährdet. Häftlinge leiden überdurchschnittlich oft unter Infektionskrankheiten, Drogenabhängigkeit und Zahnerkrankungen. Mit Blick auf eine neue Studie erklärt Burmeister: "Beispielsweise sind in Deutschland Gefangene 48 bis 69 Mal häufiger mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) und sieben bis zwölf Mal häufiger mit dem HI-Virus infiziert als die Allgemeinbevölkerung." Auch psychiatrische Erkrankungen seien bei Häftlingen häufiger.
Zudem sind viele von ihnen laut dem Ministeriumssprecher vor ihrer Haft nicht ausreichend in ärztliche Behandlung gegangen und haben daher "gesundheitliche Defizite", die im Gefängnis behandelt werden müssen. "Somit stellt die Inhaftierung für einige Gefangene auch eine gesundheitliche Chance dar", betont Burmeister.
Und die Gefahr einer Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus? Die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts und des Landesgesundheitsministeriums werden laut Burmeister "intensiv berücksichtigt". Die Gefängnisse stünden auch im Kontakt mit den zuständigen Gesundheitsämtern. "Soweit unterscheidet sich eine Justizvollzugseinrichtung nicht von einer anderen Gemeinschaftseinrichtung", sagt der Ministeriumssprecher.
Die "Gefangenen-Gewerkschaft/Bundesweite Organisation" (GGBO) kritisiert, es gebe zu wenig Ärztepersonal und zu wenig Geld für die Gesundheitsversorgung von Häftlingen. "Gefängnisärzte stehen im Spannungsverhältnis zwischen den Bedürfnissen der Häftlinge und dem Budgetzwang der Justizministerien", sagt GGBO-Sprecher Marco Bras dos Santos. "Wir fordern, dass Gefangene in die gesetzliche Krankenversicherung kommen." Wenn zum Beispiel Hepatitis-C-Kranke hinter Gittern unzureichend behandelt würden, könnten sie nach ihrer Entlassung den Sozialsystemen nur umso teurer zur Last fallen.
Bras dos Santos bezeichnet die GGBO als "einen nicht eingetragenen Verein in Tradition von Gewerkschaften". Sie habe bundesweit eine vierstellige Zahl von Mitgliedern - und setze sich seit Jahren für die Zulassung als Gewerkschaft ein.