Trinkwasser, Polizei und Feuerwehr werden nicht privatisiert. Auch Kliniken dürften nicht dem "Diktat der Ökonomie" zum Opfer fallen, mahnt ein Leitender Arzt. Immer mehr Krankenhäuser sind von Schließungen bedroht. Das macht auch vielen BürgerInnen große Sorgen.
Demos in Adenau in der Eifel und in Oberwesel am Rhein: Viele hundert Rheinland-Pfälzer sind jüngst im Kampf gegen das Sterben kleiner Kliniken auf die Straße gegangen. Nun kritisiert das Bundesgesundheitsministerium das Gesundheitsministerium in Rheinland-Pfalz. Dieses verschweige in einer Pressemitteilung vom 12. November zu Krankenhäusern, "dass es seit Jahren der Verpflichtung zur Investitionskostenfinanzierung nicht nachkommt. Diese ist im Vergleich zu anderen Ländern unterdurchschnittlich: Für 2017 lag sie bei rund 30 Euro pro Einwohner, in Bremen lag sie doppelt so hoch." Der Bund habe zahlreiche Hilfen für ländliche Kliniken eingeleitet.
Die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) hat dagegen kürzlich betont, es mangele nicht an Investitionsmitteln des Landes. Ihr Ministerium warnt, auch wegen "der für kleine Krankenhäuser anhaltend schwierigen Rahmenbedingungen auf Bundesebene können deutschlandweit und auch in Rheinland-Pfalz Klinikschließungen in den nächsten Jahren nicht ausgeschlossen werden"
Rebecca Borrmann-Pagés, Sekretärin im Krankenhaus in St. Goar am Rhein, kritisiert: "Jeder schiebt sich in der Politik den Schwarzen Peter zu. Es muss sich etwas ändern." Die von der Schließung bedrohten Loreley-Kliniken in St. Goar und Oberwesel haben gerade eine Galgenfrist bis Ende 2020 bekommen, um eine Lösung für ihr Überleben zu finden. Auch Kliniken in Dernbach im Westerwald, in Ingelheim sowie in Nassau und Bad Ems waren oder sind von Insolvenzen betroffen. Selbst die große Uniklinik Mainz ist zwar nicht in der Existenz gefährdet, steckt aber in den roten Zahlen.
Borrmann-Pagés sagt in St. Goar: "Heute hat uns ein Patient drei Paletten Kuchen geschenkt. Die Solidarität ist irre." Ihr Kollege Holger Blatt, Techniker, ergänzt: "Der riesige Protest in der Bevölkerung für unsere Kliniken hat uns überrascht. Wir stehen wie eine Familie zusammen, damit es weitergeht." Die Patientin Karin Herz meint: "Es ist eine gute Nachricht, dass die Loreley-Kliniken bis Ende 2020 gerettet sind. Aber wie es dann weitergeht, macht mir große Sorgen. Ein Jahr ist schnell vorbei. Es muss ja ein neuer Träger gefunden werden." Insgesamt rund 350 MitarbeiterInnen haben die beiden Loreley-Kliniken.
Einer von ihnen, Alfred Galeazzi, Leitender Oberarzt, arbeitet hier schon seit der Eröffnung 1986. Er ist nicht gut zu sprechen auf die überregionale Politik. Und auch nicht auf die im Juli veröffentlichte Bertelsmann Studie. Demnach sollten für eine optimierte Versorgung von PatientInnen von den derzeit fast 1.400 Krankenhäusern in Deutschland nur weniger als 600 größere Kliniken erhalten bleiben. Sie könnten dann mehr Personal und eine bessere Ausstattung bekommen. Galeazzi kritisiert, diese Studie habe dichter besiedelte Regionen in den Blick genommen, nicht aber den ländlichen Raum.
Der Orthopäde spricht von einem "Diktat der Ökonomie" im Gesundheitswesen mit grundsätzlich angestrebten Renditen von 10 bis 16 Prozent. Die Kliniklandschaft könne aber nicht um jeden Preis privatisiert werden. "Bei Trinkwasser, Polizei und Feuerwehr kommt ja auch keiner auf die Idee." Galeazzi fordert im Gesundheitssystem eine bessere Verzahnung von stationärer und ambulanter Versorgung.
Rhein-Hunsrück-Landrat Marlon Bröhr (CDU) sagt: "Die Loreley-Kliniken haben jahrelang Geld verdient. 2018 haben sie mal 200.000 Euro Miese gemacht. Sie haben aber auch Rücklagen von drei Millionen Euro." Mit der Betonung ihrer konservativen Orthopädie und dem Verzicht auf viele Operationen zögen die Loreley-Kliniken PatientInnen aus ganz Deutschland an. Mit weniger Operationen sparten diese Krankenhäuser im Gesundheitssystem Geld ein.
Auch ihr christlicher Haupteigentümer, der Klinik- und Altenheimkonzern Marienhaus, hat die ursprünglichen Schließungspläne mit den "von der Politik auf Bundesebene in diesem Jahr verschärften gesetzgeberischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen" begründet.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat einst betont: "Ein Krankenhaus vor Ort ist für viele Bürger ein Stück Heimat." Das Bundesgesundheitsministerium teilt mit: "Ab dem kommenden Jahr können ländliche Krankenhäuser eine pauschale Förderung von 400.000 Euro pro Jahr zusätzlich erhalten - selbst dann, wenn sie kein Defizit aufweisen. Allerdings müssen die Kliniken Vorgaben zur Sicherstellung der Regel- und Notfallversorgung erfüllen." Auch für die stationäre Notfallversorgung könne es jährlich sechsstellige Zuschläge geben.
2017 hat es in Rheinland-Pfalz laut dem Statistischen Landesamt 70 allgemeine und 14 psychiatrische Krankenhäuser gegeben. Die Bettenauslastung betrug in allgemeinen Kliniken 72,7 Prozent und in psychiatrischen Krankenhäusern 96,3 Prozent. Neuere Zahlen liegen den Statistikern nicht vor. Der Ende 2018 vom rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerium vorgelegte Krankenhausplan für den Zeitraum bis 2025 sieht einen deutlich geringeren Abbau von Klinikbetten im Land vor als vom Landesrechnungshof und einem Gutachten empfohlen.