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HIV-Prävention: Eine Frage gesellschaftlicher Akzeptanz

Es hängt von der Akzeptanz der Bevölkerung ab, wie erfolgreich Präventionsmaßnahmen sind. Vertrauen muss aufgebaut werden, um sicherzustellen, dass Interventionen dort ankommen, wo sie benötigt werden. Beim IAS erörterten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, welche Faktoren zum Erfolg beitragen.

Programme durch die Brille der Patient:innen betrachten

Es hängt von der Akzeptanz der Bevölkerung ab, wie erfolgreich Präventionsmaßnahmen sind. Vertrauen muss aufgebaut werden, um sicherzustellen, dass Interventionen dort ankommen, wo sie benötigt werden. Beim IAS erörterten Wissenschaftler:innen, welche Faktoren zum Erfolg beitragen. 

Neben Kondomen zählt die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) zu den wichtigsten Maßnahmen, um bei HIV-negativen Personen Infektionen zu verhindern. Mehrere Wirkstoffe wurden zugelassen, auch in der Europäischen Union. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht von "einer zusätzlichen Präventionsmöglichkeit für Menschen mit einem erheblichen HIV-Infektionsrisiko als Teil von kombinierten HIV-Präventionsansätzen". Doch diese medizinischen Erwägungen reichen nicht aus, denn PrEP muss Risikogruppen auch erreichen. 

PrEP für alle: Was muss sich ändern? 

Einigen Menschen würde von der PrEP abgeraten, sagte Dr. Renee Heffron von der University of Wasington, USA, beim IAS-Symposium. Sie nennt vor allem schwangere und stillende Frauen, aber auch Jugendliche unter 18 Jahre, Personen mit Drogen-Abusus oder mit bestimmten Pharmakotherapien. Das liegt daran, dass es – je nach Wirkstoff – kaum Daten zur PrEP in der Schwangerschaft gibt. Hinzu kommt, dass manche Pharmaka in die Muttermilch übergehen. 

Aber auch soziale Aspekte spielen eine Rolle. Soziale Stigmatisierung gefährde PrEP-Programme; soziale Unterstützung hingegen fördere Maßnahmen, so Heffron weiter. "Frische, moderne Maßnahmen", etwa in Social Media, hingegen könnten die Akzeptanz verbessern. "Auch niedrigschwellige Maßnahmen wirken förderlich." Bewährt hätten sich neben Apotheken mobile Services, etwa Fahrzeuge, um Menschen vor Ort zu versorgen. "Präparate müssen aber auch für alle erschwinglich sein und vom Krankheitsbegriff getrennt werden", forderte Heffron. 

Misstrauen in Medizin und Pharmazie

Als weiteres Problem aus der Praxis nennt Dr. Oni Blackstock von Health Justice, USA, stark verwurzeltes Misstrauen etlicher Menschen in die Medizin und die Pharmazie. Dahinter stecke nicht nur Skepsis aufgrund der vermeintlichen Profitgier von Herstellern, Ärzt:innen oder Kliniken. Viele lehnten "ein System, das Rassismus, Klassismus, Homophobie und Transphobie fördert und erhält", ab. Anzumerken ist an der Stelle: Blackstock berichtet von Erfahrungen aus den USA. Das alles führe zu negativen Verhaltensweisen wie fehlender Adhärenz bei der PrEP, bei HIV-Behandlungen oder bei der Teilnahme an HIV-Screening-Programmen. 

"Bislang gibt es nur wenig Evidenz aus der Literatur, was man gegen diese Situation unternehmen kann", so Blackstock. Als Beispiel nennt sie Trainings, um kulturelle Kompetenzen für Gespräche zu erwerben. "Viele Maßnahmen erwiesen sich als ineffektiv oder wurden nicht in Zusammenhang mit HIV getestet", gibt die Referentin zu bedenken. In einigen afrikanischen Ländern hat sich bewährt, dass Mitglieder einer Gemeinde, denen ein Expertenstatus zukommt, informieren – und nicht völlig unbekannte Dritte von außen. 

Tipps für eine bessere Kommunikation 

Ärzt:innen rät Blackstock, ihre Kommunikation anzupassen: "Stellen Sie offene Fragen und analysieren Sie ein mögliches Misstrauen der Patienten." Wichtig sei, Skepsis offen anzusprechen, nach Gründen zu suchen und diese argumentativ zu widerlegen. Als Beispiele nennt sie: "Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Gesundheitssystem gemacht? Und warum haben Sie das Vertrauen verloren?" Ihre Ratschläge für schwierige Gespräche:

Die Kontrolle behalten 

Oftmals lohnt es sich, die Perspektive zu wechseln, wie Dr. William Nutland in seinem Vortrag deutlich macht. Er ist Mitbegründer der Interessengruppe PrEPster.info und kennt zahlreiche Männer aus der Community. Hier treffe Medizin auf ganz andere Realitäten, so der Referent. "Menschen wünschen sich Selbstbestimmung." Das bedeutet, sie wollen selbst entscheiden, wann sie eine PrEP nehmen, wann nicht, und wem sie davon erzählen. Insofern seien PrEP-Implantate, die zurzeit in klinischen Studien untersucht würden, nicht für alle Menschen wünschenswert. Viele würden solche Depotarzneimittel sogar ablehnen. Es gehe eben darum, die Zielgruppe nicht aus den Augen zu verlieren, wie Nutland unterstreicht.

Referenz:
International AIDS Society Conferences (IAS) 2021, Symposium „Build it: But will they come? Prevention efficacy versus population effectiveness“, 19. Juli 2021.