Eine neue Studie an der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Uniklinikums Würzburg lässt hoffen, dass durch die elektrische Stimulation einer bestimmten Mittelhirnregion die Gangstörungen von Schlaganfallpatienten gebessert werden könnten. Der wissenschaftliche Artikel dazu erschien kürzlich in der US-amerikanischen Zeitschrift "Annals of Neurology".
Etwa ein Drittel der Überlebenden eines Schlaganfalls können kaum oder gar nicht mehr gehen. "Für diese chronischen Gangstörungen gibt es bisher keine wirklich wirksamen medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten und auch die Erfolge von übenden Therapien sind sehr beschränkt", beklagt Prof. Dr. Jens Volkmann, der Direktor der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Uniklinikums Würzburg (UKW). Jetzt haben Mitarbeiter seiner Klinik in einem seit dem Jahr 2015 laufenden Forschungsprojekt möglicherweise einen neuen, vielversprechenden Behandlungsansatz gefunden.
In einem Tiermodell des Schlaganfalls bei Ratten konnten sie zeigen, dass die elektrische Stimulation einer bestimmten Mittelhirnregion die koordinierte Gehfähigkeit der Tiere wiederherstellen kann. "Das mesencephale lokomotorische Zentrum ist schon länger als Koordinationszentrum des Gehens bekannt", berichtet Dr. Felix Fluri, Oberarzt der Neurologischen Klinik des UKW. Allerdings werde die fragliche Mittelhirnzone nach seinen Worten von einem typischen Schlaganfall im Bereich des Großhirns nicht betroffen. Weshalb sie trotzdem infolge des Schlaganfalls ihre Funktion in der Steuerung des Gehens nicht mehr korrekt ausübt, sei bislang nicht bekannt.
Doch warum und wie wirkt dann ihre elektrische Stimulation? "Wir vermuten, dass die elektrische Reizung die mesencephale Lokomotionsregion von störenden Signalen aus übergeordneten Hirnregionen abschirmt. Dadurch wird das Mittelhirn wieder in die Lage versetzt, das Gehen über nachgeordnete Rückenmarkszentren normal zu kontrollieren und zu steuern", erläutert Dr. Fluri. Dabei seien die positiven Effekte auf die Gehfähigkeit zeitlich streng an die elektrische Reizung gebunden. "Das funktioniert wie mit einem Schalter: Strom an – die Ratten können sich normal bewegen, Strom aus – die Ratten haben massive motorische Einschränkungen", so Dr. Fluri.
"Diese Arbeit könnte von unmittelbarer Relevanz für Schlaganfallpatienten sein", freut sich Prof. Volkmann und fährt fort: "Mit der tiefen Hirnstimulation verfügen wir bereits über ein zugelassenes Verfahren, das in anderen Hirnregionen und bei anderen Erkrankungen, wie zum Beispiel der Parkinson-Krankheit, sehr gute Erfolge erzielt. Vor diesem Hintergrund streben wir eine klinische Prüfung der Übertragbarkeit des Verfahrens auf geeignete Schlaganfallpatienten in naher Zukunft an."