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Hausbesuche gegen Bares

Hausärzte machen nur noch selten Hausbesuche. Private Unternehmen haben diese Lücke erkannt. Eine Firma aus Frankfurt will bundesweit Ärzte zu den Patienten nach Hause schicken. Das stößt auf Widerstand.

KV Hessen: Es gibt keine Versorgungslücke

Hausärzte machen nur noch selten Hausbesuche. Private Unternehmen haben diese Lücke erkannt. Eine Firma aus Frankfurt will bundesweit Ärzte zu den Patienten nach Hause schicken. Das stößt auf Widerstand.

Warten in überfüllten Notaufnahmen oder auf einen Termin beim Arzt? Wer es sich leisten kann, bestellt den Doktor nach Hause und zahlt bar. Privatversicherte bekommen das Geld ohnehin zurück. Eine Firma aus Frankfurt will bundesweit anbieten, was niedergelassene Mediziner nur noch selten leisten: Hausbesuche.

Vom Rhein-Main-Gebiet aus wollen die Alpha-Ärzte das Bundesgebiet aufrollen. "Die Überlegung war von vornherein eine deutschlandweite Abdeckung", sagt Geschäftsführer Raphael Weiland. Im April 2017 wurde in Frankfurt der erste Patient behandelt, danach folgten Darmstadt, Offenbach, Wiesbaden und Mainz, im vergangenen Jahr dann Hamburg und der Raum Nürnberg/Erlangen/Fürth. 2019 sollen München, Köln, Düsseldorf und Berlin dazukommen, sagt Weiland, der erst 27 Jahre alt ist.

20 Prozent zahlen bereits selbst, Tendenz steigend

Der Kern des Angebots ist, "den perfekten Zugang zu schaffen", erklärt Weiland. Etwa für die alleinerziehende Mutter, die Oma mit Gehbehinderung oder den Freiberufler unter Zeitdruck. Die bisher 15 Ärzte des Teams kommen nach Hause, stellen eine Diagnose und behandeln vor Ort. Für Selbstzahler kostet das maximal 180 Euro. "Der Anteil der Selbstzahler steigt stark", sagt Weiland, derzeit liege er bei rund 20 Prozent.

Auftrieb bekommt die Geschäftsidee dadurch, dass immer weniger Hausärzte bereit sind, Hausbesuche anzubieten. Im nordhessischen Gilserberg (Schwalm-Eder-Kreis) wurde 2018 eine Landarztpraxis bundesweit berühmt, weil sie jahrelang fünf, sechs Hausbesuche am Tag machte. Zu viel, fand eine Stelle, die die eingereichten Abrechnungen prüft, und verdonnerte die beiden Mediziner zu 58.000 Euro Regress.

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hessen ist von der Geschäftsidee der Alpha-Ärzte nicht begeistert: Es gebe schließlich einen Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD). An den können sich Patienten wenden, wenn die Praxen geschlossen sind, also nachts und am Wochenende. Er ist bundesweit unter der Nummer 116117 erreichbar - und kostenlos. Allerdings kommt der Arzt nur selten nach Hause, laut KV führen nur 11 bis 13 Prozent der ÄBD-Kontakte zu einem Hausbesuch.

Die Alpha-Ärzte hätten keine Lücke im Gesundheitssystem entdeckt, sondern ein Geschäftsmodell, sagt KV-Sprecher Karl Matthias Roth. Die Firma verdiene an der Bequemlichkeit der Menschen, die es sich leisten können. "Es gibt keine Versorgungslücke, es gibt nur eine Bequemlichkeitslücke - das ist ein Unterschied." Jeder bekomme im deutschen Gesundheitswesen die Versorgung, die er benötige, nur eben nicht immer sofort und bei sich zu Hause auf dem Sofa.

Private Krankenversicherer zahlen nur bei medizinisch erforderlichen Leistungen

Die Landesärztekammer Hessen hat Zweifel, ob das Modell der Alpha-Ärzte legal ist. "Nach der ärztlichen Berufsordnung müssen Ärzte, die Hausbesuche durchführen, niedergelassen sein. Die Ausübung ärztlicher Tätigkeit im Umherziehen ist berufswidrig", sagt Sprecherin Katja Möhrle. Auch private Krankenversicherer zahlten nur bei niedergelassenen Ärzten. "Weitere Voraussetzung für die Übernahme der Kosten ist, dass es sich um eine medizinisch erforderliche Leistung handelt."

Da die Alpha-Ärzte privatärztlich tätig sind, benötigten sie keinen Kassensitz, argumentiert Weiland. Alle Mediziner seien approbiert, jede Behandlung werde für den Hausarzt dokumentiert, abgerechnet werde nach der Gebührenordnung für Ärzte. Übrigens bezuschusse sogar manche gesetzliche Kasse die Kosten. Ja, es gebe Vorbehalte von Kollegen, aber die könne man im Gespräch schnell ausräumen: "Wir nehmen niemandem Patienten weg, sondern wir verbessern für alle die Versorgung", sagt Weiland.

Weder die Bundesärztekammer (BÄK) noch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) äußerten sich zu dem Thema. Bei der KBV hieß es, es handle sich ja gerade um Angebote außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung; die BÄK erklärte, sie prüfe weder Geschäftsmodelle auf ihre rechtliche Zulässigkeit noch überwache sie das ärztliche Berufsrecht.

Dienstleistungen für Privatversicherte und Selbstzahler seien im Kommen, sagt Thilo Kaltenbach, Gesundheitsexperte bei der Unternehmensberatung Roland Berger. "Sicherlich ist der Markt für diese Art von Diensten momentan noch sehr klein, doch dahinter steckt noch Potenzial." Es gebe zum Beispiel Apps, mit denen Patienten einen Arzt rufen können. "Wenn die Digitalisierung des Gesundheitswesens in den kommenden Jahren weiter voranschreitet, werden sich solche Dienstleistungen in Verbindung mit der digitalen Gesundheitskarte auf dem Markt verstärkt etablieren."

So setzen die Alpha-Ärzte auch auf Video-Sprechstunden. Seit das sogenannte Fernbehandlungsverbot gelockert wurde, ist es unter bestimmten Bedingungen erlaubt Patienten zu behandeln, ohne sie persönlich zu treffen. Das Angebot soll Weiland zufolge in Zukunft stark ausgebaut werden.